Ein frühes Zeugnis des organisierten Frauenschachs in Deutschland

Konrad Reiß - Der Correspondenz–Schachkampf zwischen dem Dessauer Schachverein und Frauen des Schachdorfes Ströbeck 1886/87 - Titelseite
Konrad Reiß - Der Correspondenz–Schachkampf zwischen dem Dessauer Schachverein und Frauen des Schachdorfes Ströbeck 1886/87 - Titelseite

von Siegfried Schönle

Wieder einmal ist es mir ein Vergnügen, den Lesern dieser Internetseite ein Buch des Leiters des Löberitzer Schachmuseums, Konrad Reiß, vorzustellen.

Dieser scheint in den letzten Jahren fast jeden „schachlichen Stein“ umgedreht zu haben und trug und trägt auf diese Weise maßgeblich dazu bei, dass die Schachgeschichte im (Schach) Dreieck Löberitz – Ströbeck – Magdeburg, also Sachsen-Anhalts, bestens erforscht und dokumentiert ist. Davon zeugen zahlreiche seiner früheren Publikationen und die hier vorzustellende auf elegante Weise auch!

Der Correspondenz–Schachkampf zwischen dem Dessauer Schachverein und Frauen des Schachdorfes Ströbeck 1886/87.

Ein frühes Zeugnis des organisierten Frauenschachs in Deutschland

von

Konrad Reiß

Löberitz, Zörbig, Leipzig 2023. 96 S. + Titelei u. VIII Vorsatzseiten.

Aufl. 100 Ex
Pappband, farbiger Druck auf leicht getöntem Papier. Zahlreiche Abb. und Faksimiles der Fernschachkarten.

Dieses ist zum Preis von 20,- € + Porto beim Autor () zu erhalten.

Konrad Reiß - Der Correspondenz–Schachkampf zwischen ... - Geleitwort
Konrad Reiß - Der Correspondenz–Schachkampf zwischen ... - Geleitwort

Schach bietet, das ist u.a. auch das Faszinierende an diesem Spiel, zahlreichen Interessen Anlass zum Forschen und zum Sammeln. So auch bei diesem Buch!

Es spricht diejenigen an, die sich um die Historie des Frauenschachs bemühen oder denen das Fernschach von Bedeutung ist, andere bevorzugen die Geschichte des Schachdorfes Ströbeck und für wiederum andere mag die Vereinsgeschichte und deren Aufarbeitung von Interesse sein.

Nicht vergessen werden soll hier das Partieschach, da zwei Partien zwischen Dessau und Frauen aus Ströbeck gespielt wurden. Diese Partien werden, leicht amüsiert und durchaus teilweise ironisch, dann aber wieder mit der notwendigen Fachkenntnis von Konrad Reiß kommentiert (S. 29-33).

Das Buch besitzt zwei Teile.

Im ersten Teil, S. 1-39, berichtet der Autor zu mehr oder weniger bekannten Momenten aus der Geschichte Ströbecks.

Im Einzelnen: Die Legende vom Ritter Gunzelin; der ersten Erwähnung zur Ströbecker Schachtradition im Gesetzbuch des Peter Heige aus dem Jahr 1601; der Darstellung Ströbecks im Selenus (1616) und bei Eberhard Welper (1690); der Tradition des Lebendschach im Dorf; dem berühmten Schachbrett, welches Großfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg dem Dorf schenkte; der Schachanekdote „Vadder mit Rat“; Schach in der Schule; von 3 Ströbecker Vereinen.

Ströbeck 1616
Ströbeck 1616

Ströbecker Frauen vereinbarten 1886 zwei Fernpartien mit den Männern des Dessauer Schachvereins. Zu denen auch Otto Rosenbaum (1852 – 1923), ein erfahrener Turnierspieler, zählte. Friederike Bruns aus Ströbeck hingegen schrieb die Postkarten in Richtung Dessau.

Den Abschluß des 1. Teiles bilden die Vorstellung Friederike Bruns und Otto Rosenbaums sowie knappe Bemerkungen zu Damen-Schach-Turnieren. Typisch ist zu nennen, dass zu Friederike Bruns kaum etwas bekannt ist, wohingegen zu Otto Rosenbaum durchaus umfassend von Konrad Reiß im Jahr 2021 berichtet werden konnte (Otto Rosenbaum. 1852-1923. Der (fast) vergessene Schachmeister aus Dessau). [siehe auch: Ein Schachmeister aus Dessau: Otto Rosenbaum]

Konrad Reiß - Der Correspondenz–Schachkampf zwischen ... - Seite 65
Konrad Reiß - Der Correspondenz–Schachkampf zwischen ... - Seite 65

Im 2. Teil (S. 41-93) bietet das Buch dem Leser alle erhaltenen Postkarten und Briefe im Faksimiledruck.

Das mag man als langweilig empfinden, da die einzelnen Züge ja zuvor schon in heute gebräuchlicher Form abgedruckt und kommentiert wurden. Andererseits bietet gerade dieser Teil eigenständiges Betrachten der Dokumente an, entziffern der Schrift oder der Schriften der „Kampfschwestern“ (S.45), Lesen der Poststempel und auch dem Genießen der Aura, die diese Faksimiles bieten. Warum nicht auch in einer Mußestunde ein eigenständiges Übertragen der originalen Schrift in die persönliche. Ein reizvolles Probestück bietet z.B. die S. 65 an.

In einem Brief vom 11.5.1887 (S. 33 und 90-91) geben die Ströbecker Damen auch die zweite „Parthie“ auf, bedanken sich dafür, gelernt zu haben.

Schachsport, wie er sein sollte, fair zu akzeptieren, dass der Gegner besser spielte und ich möchte hinzufügen:

Ein Schachbuch, eine historische Darstellung, wie sie wünschens- und empfehlenswert ist!

Dass die Korrespondenz immer noch einige Geheimnisse enthält, zeigt abschließend eine Beurteilung von Großmeister Dr. Robert Hübner. Er weist auf die Tatsache hin, dass auf den Adressen der Postkarten unterschiedliche Handschriften zu erkennen sind. Vielleicht lässt sich dieses Mysterium irgendwann  auch noch auflösen.

Postkarte vom 11. Februar 1887 - Abgeschickt am 11. Februar vom Postamt Ströbeck mit Eingangsstempel vom 11. Februar des Postamtes Dessau
Postkarte vom 11. Februar 1887 - Abgeschickt am 11. Februar vom Postamt Ströbeck mit Eingangsstempel vom 11. Februar des Postamtes Dessau

Siegfried Schönle (Kassel) / Februar 2023

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