Die KWA tagte in Dresden Mitgliederversammlung (8./9.11.2008)

Die KWA tagte in Elbflorenz Jahrestreffen am 8./9. November 2008

Das diesjährige Mitgliedertreffen fand unmittelbar im Anschluss an unsere Braunschweiger Jubiläumsfeier in Dresden statt, die sächsische Landeshauptstadt hatte sich schon deswegen als Austragungsort angeboten, weil unseren Mitgliedern durch eine weitere Verknüpfung mit der bald beginnenden Schacholympiade sowie einer überbrückenden Exkursion nach Breslau eine besonders reizvolle Kombination schachlicher Ereignisse ermöglicht werden sollte.

Unsere Mitgliederversammlung konnte pünktlich am frühen Samstagnachmittag beginnen - der Veranstaltungsraum hatte sich beträchtlich gefüllt und die technischen Vorkehrungen waren zur vollen Zufriedenheit durch das Restaurant erledigt worden.
Die Teilnehmer - Mitglieder und Gäste - sind nachstehend aufgelistet (in alphabetischer Folge):
Hans-Henning Albrecht (zeitweise), Ralf Binnewirtz, Iván Bottlik, John Donaldson, Bernd Ellinghoven, Tamás Erdélyi, Calle Erlandsson, Vlastimil Fiala, Gunnar Finnlaugsson, Hans-Jürgen Fresen, Tony Gillam, Karl Kadletz, Karl Klittich (zeitweise), Matthias Limberg, Claes Løfgren, Manfred und Monika Mädler (zeitweise), Michael Negele, Toni Preziuso, Andreas Saremba, Petra und Siegfried Schönle (zeitweise), Frank Schubert, Per Skjoldager, Jurgen Stigter, Bob van de Velde, Susanne und Heinz van Kempen.

Einen Überblick über die Agenda sowie die einzelnen behandelten Punkte gibt die folgende pdf-Datei (im Mitgliederbereich, Login erforderlich).

Bei der anschließenden Stadtrundfahrt per Bus konnte nur ein kleiner Teil der zahlreichen Dresdener Sehenswürdigkeiten in Augenschein genommen werden. Im Mittelpunkt standen die historischen baulichen Denkmäler der Dresdener Altstadt, die zu dieser Tageszeit teilweise farbig angestrahlt werden und daher auch an trüben Novemberabenden sehr beeindruckend wirken - die folgende kleine Foto-Auswahl mag dies annähernd verdeutlichen.

Eine Reihe weiterer Fotos - auch von den drei Elbschlössern auf der rechten Elbseite [Schloss Albrechtsberg, Lingnerschloss und Schloss Eckberg] - finden Sie in der folgenden Bildergalerie (17 Fotos).

Zur Abendmahlzeit traf man schließlich sich im Restaurant "Kanzlei", einem "Genießertreff" im Dresdner Stadtteil Striesen, das eine recht extravagante Speisekarte vorweisen konnte.

Am Sonntagvormittag war unser Büchermarkt an der Reihe, von dieser inzwischen traditionellen Einrichtung können wir ebenfalls eine kleine Bildergalerie offerieren.

Der Büchermarkt im Brückenzimmer des SchillerGarten - für jede (schachliche) Geschmacksrichtung war etwas vorhanden.
Der Büchermarkt im Brückenzimmer des SchillerGarten - für jede (schachliche) Geschmacksrichtung war etwas vorhanden.

Weitere 9 Fotos in dieser Galerie!

Manfred Mädler an der Haustür seiner Blasewitzer Villa (mit einer Schach- Memorabilie aus Braunschweig)
Manfred Mädler an der Haustür seiner Blasewitzer Villa (mit einer Schach- Memorabilie aus Braunschweig)

Indessen hat auch das nahe gelegene Schachhaus Mädler einige Sammler angelockt, die in den antiquarischen Beständen des Schachgeschäfts prompt fündig wurden.

Anlässlich der Schacholympiade konnten die Mädlers eine verstärkte Präsenz in den Medien verbuchen: nicht nur erschien in der November-Ausgabe des lokalen Elbhang-Kuriers ein Artikel "Schachhaus Mädler - Die Olympia-Schach-Uhr tickt auch in Blasewitz" mit Manfred auf der Titelseite - "Schach macht nicht matt, sondern schlau!" (Titelseite / Artikel - Seite 1 / - Seite 2), auch bei ChessBase konnte man wenig später einen schön bebilderten Bericht Besuch bei Mädlers in Dresden (von André Schulz) aufrufen, der u.a. einige Impressionen vom "Innenleben" des Schachgeschäfts vermittelt.

Eine private Memorabilie zeigte uns Manfred Mädler, es handelt sich um die Ankündigung des letzten Schach-Vortrags, den Manfred in Dresden vor seinem Weggang in den Westen 1951 gehalten hat. (Zur Vergrößerung das kleine Bild rechts anklicken.)

Der Sonntagnachmittag war reserviert für die Vorträge unserer Mitglieder, hierzu stand uns das stattliche Elbzimmer zur Verfügung (siehe Bild unten).

Frank Schubert

Direkt zu Beginn war der Plenarvortrag vorgesehen, der diesmal von unserem Dresdner Mitglied Frank Schubert gehalten wurde – er hatte es als eine Ehre angesehen, diese Aufgabe für die KWA ohne jegliches Honorar zu übernehmen!

Frank Schuberts Thema war "New developments in historical chess ratings and their potential benefit for chess historians", wobei er nach seiner Vorstellung zunächst eine historische Übersicht über die ersten Rating-Systeme gab, dann zum Elo-System und dessen Weiter-entwicklungen überging und schließlich eine von ihm erarbeitete neue Methode vorstellte, die die inhärenten Nachteile der alten Systeme vermeidet: die "VRIM – Variable Rating Iteration Method" wird vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft die aktuellen Systeme ablösen können.

Am noch bestehenden Problem des hohen Rechenaufwands wird weiter gearbeitet, es gibt bereits hoffnungsvolle Ansätze zu seiner Lösung. Einiges mehr können Sie aus den Präsentationsfolien erfahren, die uns Frank Schubert zur Veröffentlichung überlassen hat [als pdf-Datei (2,4 MB), explizit nur in unserem Mitgliederbereich, da die Ergebnisse für eine spätere Veröffentlichung Verwendung finden sollen].

Frank Schubert

Es gab intensiven Applaus für diesen gehaltvollen Vortrag, der absichtlich nicht zu wissenschaftlich formuliert worden war. Ein Präsent nahm Frank Schubert schließlich doch gerne an - Michael Negele überreichte ihm ein von allen Teilnehmern signiertes Exemplar unserer Festschriften-Bibliographie.

Es schloss sich eine abwechslungsreiche Reihe von Kurzvorträgen an, die das Publikum durch Thematik und Inhalt fesselten. Den Anfang machte Hans-Jürgen Fresen mit "Meine Anderssen-Sammlung und deren Geschichte" ...

Hans-Jürgen Fresen

... dieser besonders unsere Sammlerfreunde ansprechende Vortrag bildete zugleich eine perfekte Überleitung zum anstehenden Breslau-Besuch – bekanntlich war diese Stadt Anderssens Heimat und auch sein Grab liegt in Breslau (siehe die Fotos unten).

Links im Bild Hans-Jürgen mit einem Stein aus dem originalen Anderssen-Figurensatz.

Sein Vortrag ist in dieser pdf-Datei in vollem Wortlaut nachzulesen, die präsentierten Anderssen-Memorabilien (aus eigenem Bestand) sind in dieser Bilder-Galerie einsehbar.

Der kuzweilig-humorige Vortrag von Michael Negele, "Arnold Schottländer – a cripple, fond of chess", kann gleichfalls als eine kleine Reverenz an Breslau gelten; er ging der Frage nach, wer dieser schlesische Meister und Schüler Anderssens eigentlich war, der - aufgrund körperlicher Gebrechen benachteiligt - auf Schachturnieren durch sein zuweilen despektierliches Verhalten auffiel und zudem über eine spitze Zunge verfügte. Eines seiner Bonmots, das ihn überlebte, war eine Bemerkung, die er zu seiner Ehefrau gemacht haben soll: "Luise, wenn einer von uns stirbt, werde ich wohl nach Berlin ziehen." (Nach Edward Lasker, Chess Secrets.)
Auch für diesen Vortrag können wir die Präsentationsfolien von Michael (mit einem Deutsch-Englisch-Mix) als pdf-Datei (1,5 MB) anbieten. Auf die bereits gezeigte Grabstätte Schottländers in Breslau sei hiermit nochmals verwiesen, ebenso existiert eine kleine Wikipedia-Seite zu A.S.

John Donaldson

John Donaldson, der vor allem als Kapitän des US-amerikanischen Olympia-Teams nach Dresden gekommen war, erfreute uns mit einem Referat über den ältesten amerikanischen Schachklub - "Some remarks to the History of the Oldest Chess Club in the United States".

Dieser Traditionsverein ist im Mechanics' Institute, San Francisco, angesiedelt, wir kennen dieses Institut schon ein wenig von einem der Streifzüge Michael Negeles aus dem Jahre 2004 (siehe Auf den Spuren des Goldrauschs).

Auf der Website des Mechanics’ Chess Club existiert ein umfänglicher Bereich von 11(!) Webseiten History of the MI Chess Room, der eine Chronik des Klubs präsentiert – reichlich Lesestoff für diejenigen, die mehr zu diesem Thema erfahren möchten.

Der folgende Vortrag von Tony Gillam beschäftigte sich mit einem gemeinhin wenig beachteten deutschen Schachmeister, der Titel "Newest research on the smallest German grandmaster" bezog sich auf den Berliner Meister Carl August Walbrodt (1871-1902) und dessen zwergenhaften Wuchs. In Amsterdam geboren (Walbrodts Eltern waren erst kurz vor seiner Geburt aus dem niederrheinischen Wesel in die holländische Metropole gezogen), kam er später nach Berlin, wo er als Mitbesitzer einer "Maschinenbau-Anstalt für Pantographen und Guillochiermaschinen" wohlhabend genug war, um sein Leben weitgehend dem Schach widmen zu können. Sein frühes Ableben ist der Lungen-Tuberkulose zuzuschreiben (wohl im Verein mit einer verschlimmernden Trunksucht), an der er viele Jahre litt.

Dass Walbrodt wirklich ein "Zwerg" war, scheint nach neuesten Erkenntnissen recht sicher; auch Edward Winter hat erst kürzlich in seinen Chess Notes diese Frage tangiert (siehe C.N. 5832 im November 2008).

PS: Recht bemerkenswert erscheint mir, dass sogar in der New York Times vom 4. Oktober 1902 ein Nachruf auf Walbrodt (pdf-Datei) erschienen ist.
Auch über Walbrodt wurde eine Wikipedia-Seite angelegt.

Der vertikalen Bildsequenz (rechts) mag man entnehmen, welch talentierter Redner unser Tony ist - Physiognomie, Mimik, Gestik und Motorik verschmelzen zu einer Einheit!
(>> Bildchen einzeln anklicken)

Calle Erlandsson (beim Vortrag), assistiert von Jurgen Stigter
Calle Erlandsson (beim Vortrag), assistiert von Jurgen Stigter

Calle Erlandsson trug dann als nächster zur "Lachaga-Serie" vor, das Thema war von ihm gemeinsam mit Jurgen Stigter vorbereitet worden. Die bekannte Serie von Turnier- und Wettkampf-Broschüren war über 40 Jahre – 1943 bis 1983 – überwiegend in spanischer Sprache erschienen und wurde von dem Argentinier Milcíades A. Lachaga herausgegeben, sie umfasste insgesamt 158 (155?) Hefte.
Die Präsentationsfolie rechts gibt einen Überblick über die ersten 27 Ausgaben (bitte anklicken).

Mit dem Lasker-Biographen (Johann) Jacques Hannak beschäftigte sich schließlich Karl Kadletz in einem Vortrag, der vor allem die Auseinandersetzungen um das Turnier Semmering-Baden 1937 thematisierte: Der streitbare Hannak hatte sich mit den Organisatoren überworfen und u.a. in seinem (nicht offiziellen) Turnierbuch die Veranstalter des Panhans-Turniers mit Anfeindungen provoziert (hier die Einleitung / erste Seite aus Semmering - Baden 1937; sowie eine Widmung an Tartakower). Die Gegendarstellung des Turnierkomitees ließ nicht lange auf sich warten ... (Die Rache des Enttäuschten – Deckblatt / Textauszug).
Mit seiner Streitschrift Die Nachtigallen vom Semmering setzte wiederum Hannak zur Gegenoffensive an: hier zwei Textauszüge – erste Seite / letzte Seite (14).
Bereits zehn Jahre zuvor (1927) war Hannak in das Blickfeld der Polizei geraten: infolge einer Klage von Karl Kraus gegen die Redaktion von Arbeit und Wirtschaft, bei der Hannak tätig war, wurde der letztere von der Polizei vernommen und auch eine Hausdurchsuchung angeordnet - hier die Verfügungen und Protokolle sowie der Gerichtsbeschluss.

Gunnar Finnlaugsson

Zu vorgerückter Stunde meldete sich noch Gunnar Finnlaugsson zu Wort, der mit einer Gedenkansprache an den verstorbenen Bobby Fischer erinnerte (>> Grabstätte von Bobby Fischer) und mit einem kleinen Bobby Fischer-Quiz dem Publikum einige Nüsse zu knacken gab.

Weitere Fotos vom Sonntagnachmittag und -abend haben wir in diese Bildergalerie aufgenommen.

Ein Wort des Dankes sei an alle gerichtet, die zum Gelingen dieses Treffens maßgeblich beigetragen haben:
An Herrn Jacob als unseren Gastgeber im SchillerGarten ...

Herr Thomas Jacob - unser Gastgeber sorgte für einen angenehmen Aufenthalt und den reibungslosen Ablauf unseres Treffens.
Herr Thomas Jacob - unser Gastgeber sorgte für einen angenehmen Aufenthalt und den reibungslosen Ablauf unseres Treffens.

... aber auch an alle anderen Mitglieder, die an der Vorbereitung und Durchführung unseres Treffens mitgewirkt haben oder die mit einem Vortrag unser Schachwissen bereicherten. Dresden 2008 reiht sich würdig ein in die Serie unserer Mitgliedertreffen - San Francisco erwartet unseren Besuch im nächsten Jahr!

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