Schach im DP-Lager Landsberg und im Ghetto Terezín / Theresienstadt
Schwarzweiße Wege der Forschung zu Nathan Markowsky und Isidor Schorr
Bemerkungen zum aktuellen Buch von Siegfried Schönle aus Kassel
von Konrad Reiß
Früher bin ich oft durch Theresienstadt gefahren. Der Ort lag an der Route zur Schneekoppe, wo mein Verein, die Schachgemeinschaft 1871 Löberitz, jedes Jahr um Ostern herum einige Tage das Schachspiel mit dem Urlaub verbindet.
Jedes Mal, wenn ich durch den Ort fuhr oder selbst nur das Wort Theresienstadt hörte, muss ich an das Elend denken, das jüdische Menschen dort auszustehen hatten. Gleichzeitig verdunkeln Szenen aus dem Propagandafilm der Nazis mit dem Titel „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“1 meinen Sinn.
Perfider und perverser kann das Ghetto Theresienstadt nicht bezeichnet werden. Nun, das Lager war kein Vernichtungslager, diente aber dennoch als Vorhof zur Hölle. Diese Höllen gab es als Hauptlager (24) und als Außenlager (1.000) zwischen ca. 1933 und 1945. Sie trugen die Namen Auschwitz, Majdanek, Belcek, Sobibor oder Treblinka.
Weiterlesen … Schach im DP-Lager Landsberg und im Ghetto Terezín / Theresienstadt
Interview mit Herbert Bastian zum Buch Chapais – Das revolutionäre Schachmanuskript von Gaspard Monge
A. Herbert Bastian: Wer ist der Autor?
Der Autor ist Jahrgang 1952. Nach dem Abitur und dem Militärdienst hat er Mathematik und Physik bis zum 2. Staatsexamen studiert, danach zunächst als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Experimentalphysik geforscht und anschließend als Studienrat an einer Gesamtschule gearbeitet.
Stationen als Schachspieler: Deutscher Pokalsieger 1976, 20 mal Saarländischer Meister, 27 Teilnahmen an der Deutschen Einzelmeisterschaft, 10 Jahre Bundesliga für den Münchner Schachclub von 1836, seit 1986 Inhaber einer A-Trainer-Lizenz, Internationaler Meister seit 2005, 14 Einsätze als Nationalspieler.
Stationen als Funktionär: Von 1992 bis 2016 Präsident des Saarländischen Schachverbandes, 2004–2011 Sprecher der Landesverbände im Deutschen Schachbund, 2011–2017 Präsident des Deutschen Schachbundes, seit 2023 Ehrenpräsident, 2014–2018 Vizepräsident der FIDE, derzeit Beauftragter des DSB für Deutsch-Französische Beziehungen. 2017 Verleihung der Ehrennadel des Deutschen Olympischen Sportbundes, erstmalig an einen Schachsportler.
Publikationen (Auswahl): La France et son apport dans le jeu d’échecs en Europe (2022), gemeinsam mit Prof. Dr. Frank Hoffmeister und Jean-Olivier Leconte, aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums der Fédération Française des Échecs.
B. Siegfried Schönle:
Der Interviewer ist Sammler von Schachszenen in der deutschen Literatur und an der Kulturgeschichte des Spiels interessiert.
„Der Schach-Verein Bitterfeld“ und noch viel mehr!
von Siegfried Schönle
Bitterfeld – wer kennt diesen Ortsnamen nicht in Ost– und Westdeutschland und verbindet damit vor allem Braunkohle, Chemie-Industrie, in der Literatur den sogenannten „Bitterfelder Weg“, Umweltverschmutzung und nun auch
– auf 358 Seiten Schach!
Einer möglichen Reaktion auf den Namen Schach-Verein Bitterfeld: Was geht mich dieser kleine Verein an?, möchte ich gleich zum Beginn widersprechen und aufzeigen, was der Leser dieses Buches an „viel mehr“ erwartet. Doch, der Reihe nach!
In großer Fülle und Vielfältigkeit Problemschach aus dem Bitterfelder Tageblatt, sachkundig durch Dr. Ralf Jürgen Binnewirtz in seinem Vorwort erläutert. Ralf J. Binnewirtz prüfte auch die einzelnen „Leichtgewichte“ auf ihre Stimmigkeit hin. Im Anhang, S. 333ff, befindet sich von ihm ein „historischer Exkurs zur chinesischen Familie“, um „Klarheit zum Werdegang der chinesischen Figuren im Problemschach“ zu erlangen. Anlass zu seinen Überlegungen war der Fund des „Paoma“-Artikels des Bitterfelders Prof. Dr. P. Seyferth aus dem Jahr 1936.
Die Problemschach-Freunde dürfte es erfreuen.
Zweierlei möchte ich aus dem Vorwort des Verfassers, Konrad Reiß, hervorheben. Zurecht hat er die Lebens- und Schachgeschichte des jüdischen Kaufmanns Max Nussbaum in dieser Chronologie aufgearbeitet (S.169-177 u.a.) und, auch das sei betont, angemessen und quellenorientiert schachlich und historisch ausformuliert. Max Nussbaum war, wie die Nachforschungen Konrad Reiß erbrachten, Mitbegründer des Bitterfelder Schachvereins, wurde wie tausende andere Juden ab 1933 aus dem Vorstand ausgeschlossen und in 1944 in Auschwitz ermordet.
Den Leser wird es interessieren!
Weiterlesen … „Der Schach-Verein Bitterfeld“ und noch viel mehr!
Jubiläumsbuch zur Gründung des DSB nach 150 Jahren
Dazu schrieb Herbert Bastian:
„Am 18. Juli 2027 wird die Gründung des Deutschen Schachbunds 150 Jahre zurückliegen. Ungeachtet der zeitweiligen Auflösung während der nationalsozialistischen Schreckenszeit ist das ein Grund, das Jubiläum zu feiern, so wie es schon 1977 und 2002 geschah. Die Vorbereitungen haben begonnen. So wie in den vorangehenden Jubiläumsjahren soll auch diesmal ein Jubiläumsbuch erscheinen. Am 20. Juli fand dazu auf Initiative der Emanuel-Lasker-Stiftung in Berlin in Anwesenheit der DSB-Präsidentin eine Vorbesprechung statt. Einzelheiten können auf
Emanuel-Lasker-Gesellschaft feierte 100 Jahre FIDE - Deutscher Schachbund - Schach in Deutschland
nachgelesen werden. Im Anhang findet sich ein erster inhaltlicher Vorschlag von Frank Hoffmeister (siehe PDF), der die Ergebnisse der Besprechung in Berlin zusammenfasst und als Diskussionsgrundlage dienen kann. Der Vorschlag wird sicher noch inhaltliche Erweiterung erfahren. Es war auch überlegt worden, an Stelle eines Buches über etwa ein Jahr hinweg Broschüren zu den einzelnen Kapiteln herauszugeben. Momentan wird die Buchlösung favorisiert. Das Projekt wurde von André Schulz und mir bereits 2021 dem damaligen DSB-Präsidium vorgeschlagen, musste dann aber wegen der bekannten Turbulenzen zurückgestellt werden, so dass die Zeit nun schon drängt. [...]
Inhaltlich soll ein Überblick über die gesamten 150 Jahre und die Zeit davor gegeben werden, was nur durch ein Team von Fachleuten gewährleistet werden kann. Sicher wird sich als erstes die Frage der Finanzierung stellen. Zumindest die Druckkosten müssen durch den Verkauf gedeckt werden. Darüber hinaus werden Kosten für die Erstellung des Layouts, (bescheidene) Autorenhonorare und eventuell Bildrechte entstehen. Bis zum Hauptausschuss am 26. Oktober werde ich ein Finanzierungskonzept erstellen, und dann muss man dort auf die Unterstützung der Mitgliedsorganisationen hoffen. Denkbar, wenn nicht erhofft, sind zu einem späteren Zeitpunkt auch Zuschüsse und Spenden.“
Ausstellung: Schach und Porzellan
Am 15. März wird in Hohenberg an der Eger eine Ausstellung eröffnet, die sich wohl zum ersten Mal ausschließlich dem Material Porzellan und dem Schachspiel widmet.
Dem "Schach-Ticker" entnehmen wir hierzu die folgenden Informationen.
SCHACH & PORZELLAN. DIE WELT AUF 64 FELDERN – eine Sonderausstellung des Porzellanikons (18.2.2024)
Fakten zur Ausstellung
- Dabei handelt es sich um Objekte aus 12 Ländern: Deutschland, Österreich, Italien, Polen, Russland, Tschechoslowakei, Spanien, Portugal, Großbritannien, Frankreich, China und Japan.
- „Die Welt auf 64 Feldern“ ist die erste Ausstellung in Deutschland, bei der ausschließlich Schachfiguren aus Porzellan gezeigt werden.
- Begleitend zur Ausstellung sind verschiedene Aktionen und Events zum Thema Schach geplant.
- Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit 116 Seiten.
- Die Ausstellung im Porzellanikon in Hohenberg an der Eger wird vom 16. März bis 13. Oktober 2024 gezeigt. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen 10 bis 17 Uhr. Es sind 28 Schachspiele, 43 Einzelfiguren und 34 Figurensätze zu sehen.
- Adresse: Porzellanikon Hohenberg a.d. Eger, Schirndinger Str. 48, 95691 Hohenberg a.d. Eger, Tel.: +49 9233 7722-0, Webseite: https://www.porzellanikon.org
Siegfried Schönle (Kassel), Februar 2024
Schachfigurenfunde in Sandomierz und ein Tagungsband
von Siegfried Schönle
Wer weiß schon von den Schach-Figuren-Sammlern und Schach-Bücher-Sammlern auf Anhieb, wo Sandomierz liegt und was dort gefunden wurde? Sicherlich nur sehr wenige!
Ich wusste es nicht, noch genauer: Nichts wusste ich von diesem Ort!
Sandomierz ist ein Ort in Polen, genauer gesagt südwestlich von Lublin gelegen und etwa 230 km südlich von Warszawa (Warschau).
Eine Konferenz polnischer und internationaler Forscher, organisiert und geleitet von Frau Agnieszka Stempin, beschäftigte sich mit den sensationellen Funden aus den Jahren um 1968. Die Konferenz fand nach 50 Jahren, 2018, statt, unter dem Titel:
The Cultural Role of Chess in Medieval and Modern Times
50th Anniversary Jubilee of the Sandomierz Chess Discovery
Dieser hier sehr zu empfehlende Tagungsband [MUZEUM ARCHEOLOGICZNE W POZNANIU BIBLIOTHECA FONTES ARCHAEOLOGICI POSNANIENSES, Vol. 21] wurde ediert von Frau Agnieszka Stempin und ist komplett in englischer Sprache gedruckt. Die Vorträge und Aufsätze sind in 5 Gruppen aufgeteilt:
- Sandomierz Chess in the Context of the Medieval Chess Finds from Poland – 50 years of Mystery
- Archaeology of Chess – Between East and West
- Terminology and Image of Chess in Medieval Written Sources
- Around the Game
- Reminiscences
Weiterlesen … Schachfigurenfunde in Sandomierz und ein Tagungsband
Egbert Meissenburg (26.6.1937 – 29.12.2023)
von Siegfried Schönle
" ...wer interessiert sich denn schon dafür?“ So lautete sinngemäß der schnell formulierte und abweisende Kommentar des Verstorbenen, als der Verfasser ca. 2006 Egbert Meissenburg am Telefon zu seiner Person einige Fragen stellten wollte, doch dann ergab sich eine weitere persönliche Begegnung bei Kaffee und Kuchen in Seevetal.
In wenigen Zeilen wird sich nur schwerlich ein nunmehr beendetes 86jähriges Leben pressen lassen, ein fast 60jähriges Schachschaffen in diesem Nachruf ganz sicher auch nicht.
Matthias Aumüller - Das Schachspiel in der europäischen Literatur
von Siegfried Schönle
Das Schach hat wie die Liebe, wie die Musik die Fähigkeit, den Menschen glücklich zu machen.
Quelle: Dr. Tarrasch, Das Schachspiel. Systematisches Lehrbuch für Anfänger und Geübte, Berlin, 1.Aufl. 1931: Deutsche Buch-Gemeinschaft, Vorwort S. 4.
oder
Für das Schach ist wie für die Liebe ein Partner unentbehrlich.
Quelle: Stefan Zweig (Schriftsteller); https://www.schachbund.de/zitatensammlung.html
Ob der Leser der Abhandlung Das Schachspiel in der europäischen Literatur von Matthias Aumüller „glücklich“ oder glücklicher wird, das sei dahingestellt. Ganz sicher aber erfährt er eine Fülle an Wissen und Hintergründen - europaweit - zu den vorgestellten Texten, in denen es „vornehmlich ... um die Liebe und ihre Verbindung zum Schach“ (S.9) geht.
Das hier sehr zu empfehlende Buch enthält ausführliche Betrachtungen zu fünf großen Schach-Poemen
- Fenollar, de Castellvi, Vinyoles - Scachs d’ Amor (nach 1470)
- Vida - Scacchia ludus (1527)
- Kochanowsky – Szachy (ca 1564)
- Marino – L‘ Adone (1623)
- Jones – Caissa (1763/1772)
Weiterlesen … Matthias Aumüller - Das Schachspiel in der europäischen Literatur
Der Harzer Schachbund
von Siegfried Schönle
In Deutschland soll es den Angaben des Deutschen Schachbundes zufolge über 2000 Schachvereine geben. Ein jeder dieser Vereine hat seine eigene Geschichte, sei diese kurz oder auch weit zurückreichend in die Historie des Schachs in Deutschland.
Ein allgemein wahrnehmbares Zeichen hierfür sind u.a. die zahllosen Vereinszeitschriften, Festschriften, Veröffentlichungen zu den Vereinsjubiläen, die in aller Regel in dem engen Kreis des Vereins und der jeweiligen Stadt Bedeutung und Aufmerksamkeit finden, seltener ein überregionales Interesse bewirken.
Ein kurzer Blick zurück in die Geschichte der Schachvereine oder Schachclubs zeigt, dass der älteste Schachclub Deutschlands in Berlin 1803 – später der Große Schachclub genannt – gegründet wurde. Dies ist u.a. belegbar durch die folgende anonym erschienene Schrift:
Literatur, Schach spielende Frauen und Bertolt Brecht
von Dr. Bernd-Peter Lange
I.
Erst in neuerer Zeit gibt es größere Risse in der lang währenden Dominanz der Männer im Schachspiel. Erst jetzt erhalten die Turniere der weltbesten Schachspielerinnen eine ähnliche mediale Aufmerksamkeit wie die der Männer. In die Weltspitze dieses hochzerebralen, längst professionalisierten Spiels dringen inzwischen immer mehr Frauen vor, speziell von außerhalb der westlichen Welt. Immer noch allerdings scheinen entwicklungspsychologische Hürden diesem Aufholprozess enge Grenzen zu setzen. Seit Piaget sind die unterschiedlichen Spielpräferenzen von Jungen und Mädchen für die Neigung der Mädchen zu kooperativen turn-taking-games sowie der Jungen für antagonistische Nullsummenspiele verantwortlich gemacht worden.[1] Maskulinität ist bis heute eine Signatur des Schachspiels in der sozialen Wirklichkeit.
Dies ist auch ein im angelsächsischen Bereich verbreiteteres Motiv als etwa im deutschsprachigen, in dem die Auseinandersetzung mit dem Genderproblem im Schachspiel nicht auf eine vergleichbar kontinuierliche Tradition zurückblicken kann, selbst wenn seit dem Boom um den Medienerfolg des Films Damengambit vor einigen Jahren das Schach von Frauen stärker in die Öffentlichkeit dringt. In Deutschland folgte dem kürzlich eins der wenigen Bücher über Geschlechterverhältnisse im Schach aus der Feder der Großmeisterin Elisabeth Pähtz, Wer den vorletzten Zug macht, gewinnt! Ein bekannteres älteres Beispiel für die kritische Thematisierung des Geschlechterverhältnisses aus maskuliner Perspektive im Schach ist Julian Barnes` Bericht über die vakante Weltmeisterschaft zwischen Kasparov und Nigel Short (1993).
Weiterlesen … Literatur, Schach spielende Frauen und Bertolt Brecht