Vierkampf in Wijk aan Zee

Fotobericht von Michael Negele

Wintersonne über Wijk aan Zee
Wintersonne über Wijk aan Zee

Sicherlich ist für Mitglieder der KWA der ideale Zeitpunkt, das Corus-Turnier in Wijk aan Zee zu besuchen, das zweite Turnier-Wochenende. Dann hat sich das Geschehen schon stabilisiert und vor allem ist der Schachantiquar aus Zutphen www.boekenvreugd.nl/ mit seinem reichlichen Angebot vertreten. Hat man dann auch Lust, selbst Schach zu spielen, bietet sich die Teilnahme am Schnellturnier an.

Doch 2010 war alles anders, denn unser Freund John Donaldson war, aus der Türkei von der Mannschafts-Weltmeisterschaft in Bursa kommend, für eine Stippvisite zum Turnierbeginn angekündigt. Für mich natürlich endlich die Gelegenheit, mich an einem der legendären Vierkämpfe in Wijk aan Zee zu beteiligen.

Meine Gegner in Gruppe 2c waren Lorena Zepeda, Reinier Jaquet (stehend, nach unserem Kurzremis am Sonntag) und Han Schut
Meine Gegner in Gruppe 2c waren Lorena Zepeda, Reinier Jaquet (stehend, nach unserem Kurzremis am Sonntag) und Han Schut

So traf ich nach etwas stressiger Anreise schon am Freitagabend im Turniersaal ein und konnte pünktlich um 18.30 Uhr den ersten Zug (mit fast 500 weiteren Schachfreunden) in meiner Vierer-Gruppe 2C ausführen. Mir war nicht bewusst, dass meine Gegnerin, die WIM Lorena Zepeda (ELO 2156, aus El Salvador, genauer Cuidad Merliot), in den Niederlanden recht prominent zu sein schien und meine Partie sogar die Aufmerksamkeit mehrerer Großmeister (und der Fotografen) auf sich zog. Das war sicherlich nicht meinem guten Spiel, sondern eher meinem attraktiven Gegenüber anzurechnen. Zudem saß neben mir Lorenas Schwester Sonia, die in Gruppe 2B startete.

Aus einer französischen Verteidigung entwickelte sich eine komplizierte Partie, in der ich kleine Ungenauigkeiten meiner Gegnerin ausnutzen konnte und in ihrer Zeitnot den entscheidenden Angriff am Damenflügel startete.

-
15.01.2009

Kurz nach 22 Uhr hatte ich meine Partie gewonnen und fuhr müde, aber zufrieden, in mein Hotel in Haarlem.

Am nächsten Morgen sammelte ich dann John Donaldson am Bahnhof in Beverwijk ein und wir begaben uns in den Pavillon, um dort auf die weiteren KWA-Gäste zu warten. John zeigte stolz seine "Silber-Medaille", die das US-Team unter seiner Mannschaftsführung in Bursa recht überraschend gewonnen hatte. Natürlich freute er sich auch, die 3,5 kg schwere Lasker-"Bibel" in Empfang zu nehmen, die ihm für die Rückreise wegen des Gewichts allerdings einiges Kopfzerbrechen bereitete.

John Donaldson als stolzer Koautor der Lasker-Monographie - geschmückt mit der Silbermedaille von Bursa.
John Donaldson als stolzer Koautor der Lasker-Monographie - geschmückt mit der Silbermedaille von Bursa.

Besonders erfreulich war für mich, dass John etliche "Mitbringsel" im Gepäck hatte, u.a. eine brandneue Biographie von GM Suat Atalik (in türkischer Sprache).

Leider wurde dann der Pavillon für einen Empfang hergerichtet und stand für den geplanten Büchermarkt der KWA nicht zur Verfügung. Somit wichen wir in die Szenekneipe De Moriaan am Spielort aus, die sich gegen Mittag allmählich füllte. Dort vermittelte mir John auch einige Erkenntnisse zu meiner Partie und meiner Gegnerin, die wohl die aktuelle Freundin von King Loek van Wely ist - was obiges Interesse erklärt.

John Donaldson mit Ton de Vreede
John Donaldson mit Ton de Vreede

Mittlerweile waren Ton de Vreede und Gerard Welling erschienen und schließlich trafen Bob van de Velde, Jurgen Stigter sowie die treuen Wijk aan Zee-Besucher Calle Erlandsson und Per Skjoldager, letzterer in Begleitung seines Sohnes Mikael, ein. Leider mussten wir den Büchermarkt mehr oder weniger improvisieren, in meine beiden Kisten durfte jeder dann mal reinschauen. Später trafen wir noch Peter de Jong, so dass einige zusätzliche Autogramme im Lasker-Buch verewigt wurden.

Dann ging es zur zweiten Partie, die zusammen mit den Großmeisterturnieren um 13.30 Uhr gestartet wurde. Diesmal hatte ich mit Han Schut (ELO 2104) aus Waterloo einen in Belgien lebenden Holländer als Gegner, der in der ersten Runde ebenfalls mit Schwarz erfolgreich war. Da ich selbst mit Startnummer 4 glaubte, erneut Schwarz zu haben, war ich überrascht, den Anzug zu haben.

In Erwartung einer harten Partie gegen Han Schut
In Erwartung einer harten Partie gegen Han Schut

Mein frühes Bauernopfer wollte Schwarz partout nicht annehmen, was mir dann aber eine sehr starke Stellung verschaffte. Auf Kosten eines Bauern spielte ich auf Königsangriff, um dann (zur Verblüffung von John Donaldson) meine Dame auf a3 zu postieren. Das wäre alles OK gewesen, wenn ich die "stärkste Figur" über c1 wieder zurückbeordert hätte. Aber ich hatte eine andere Idee, die allerdings ein dickes "Loch" hatte. Wie oft bescherte mir aber die Zeitnot meines Gegners das "Glück des Tüchtigen" und mein sicherlich nicht korrektes Figurenopfer auf f7 wurde belohnt. Dass ich dann ein hübsches Matt ausließ, sei in der recht großen "Aufregung" am Ende verziehen.

-
B2216.01.2009
Donna Schut hat die klar bessere Position
Donna Schut hat die klar bessere Position

Die beiden hübschen Töchter des Herrn Schut, Donna und Lisa, konnten ihren Vater sicherlich ein wenig trösten, immerhin gewannen beide ihre Gruppen 2D und 2G. Bisweilen glaube ich, 30 Jahre zu früh mit Schach begonnen zu haben ...

Lisa Schut hat bereits eine eigene Wikipedia-Seite: http://de.wikipedia.org/wiki/Lisa_Schut
Lisa Schut hat bereits eine eigene Wikipedia-Seite: http://de.wikipedia.org/wiki/Lisa_Schut

Damit hatte ich 2 satte Punkte errungen und beim nachfolgenden KWA-Dinner zusammen mit Calle Erlandssons Gästen GM Kjetil Lie (Norwegen) und GM Nils Grandelius (Schweden) sowie dem schwedischen Sponsor Johan Sigeman im "Horse-Club" wurde von den Experten über meine "Strategie" beratschlagt. Ich sagte eine "französische Verteidigung" an, wobei auf eine "Abtauschvariante" zu hoffen war. Dass mein Gegner Reinier Jaquet aus Tilburg (ELO 1975) tatsächlich so verfuhr und wir uns in neun Zügen auf Remis einigen konnten, war eine erfreuliche Wendung für die dritte Runde. Damit war meine Gruppe gewonnen und es gab mir reichlich Zeit, die Großmeister zu beobachten. Zudem waren einige Impressionen vom schachbesessenen und am Nachmittag sogar sonnigen Wijk aan Zee zu sammeln und mit den an diesem Sonntag anzutreffenden Schachfreunden ausgiebige Gespräche zu führen.

Hierzu zwei ergänzende Bildergalerien:
Impressionen von Wijk (25 Fotos) und Spieler-Galerie (24 Fotos)

So lernte ich unser neues KWA-Mitglied Rob Spaans kennen, der den New in Chess-Bücherstand betreute, traf den Vizepräsidenten des Deutschen Schachbundes, Dr. Hans-Jürgen Weyer und zu meiner Freude auch endlich mal wieder Bert Corneth. Natürlich wurde auch etwas Umsatz an den Büchertischen gemacht, unter anderem konnte ich das auf dem KWA-Treffen in San Francisco vom jungen Autor Daniel Naroditsky so eindrucksvoll vorgestellte Buch erwerben.

Rückseite des gerade erschienenen Buchs von Daniel Naroditsky
Rückseite des gerade erschienenen Buchs von Daniel Naroditsky
Lorena Zepeda - gut gelaunt trotz letztem Gruppenplatz.
Lorena Zepeda - gut gelaunt trotz letztem Gruppenplatz.

Besonders viel Spaß bereitete mir das Gespräch mit Yasser Seirawan, der ja seit Jahren mit seiner Frau Ivette Nagel in Amsterdam lebt. John Donaldson war bei dem sympathischen Großmeister zu Gast, so dass ich Yasser einmal auf seine Erinnerungen an Ken Whyld ansprach. Zu meiner Überraschung hat Yasser in seinem neuen, im Mai erscheinenden Buch eben auf diesen frühen Schach-Kontakt in Nottingham hingewiesen. Später in Seattle hatte Ken Whyld die Familie Seirawan nochmals besucht.

Nachdem im Großmeisterturnier die Zeitnotphase vorbei war und über Wijk aan Zee die Gichtgas-Fackel des Stahlwerkes loderte, machte ich mich zufrieden auf den Heimweg. Vielleicht spiele ich irgendwann mal einen Zehnkampf ...

Gichtgas über Ijmuiden Hoogovens
Gichtgas über Ijmuiden Hoogovens

Zurück