Schachausstellung in Jena und Schachmuseum in Löberitz

Vitrine der Ausstellung "Schach. Spiel – Sport – Wissenschaft – Kunst"
Vitrine der Ausstellung "Schach. Spiel – Sport – Wissenschaft – Kunst"

Siegfried Schönle, Kassel, berichtet über seine Besichtigung einer Schachausstellung in Jena in der ThULB (Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek) gemeinsam mit Konrad Reiß, Zörbig, und den zweitägigen Besuch des Schachmuseums Löberitz im Osten Deutschlands.

Ausstellungen, die sich explizit Schach zum Thema wählen, sind in deutschen Museen selten, wenn nicht gar rar zu nennen, für Räume in unseren Universitäten gilt dies erst recht.

Nicht so in Jena in der Thüringischen Universitäts- und Landesbibliothek, in der Dr. Uwe Glatz im Eingangsbereich der Uni in thematisch geordneten Vitrinen Schach. Spiel – Sport – Wissenschaft – Kunst zu einem sehenswerten Ganzen zusammenfügte. (siehe Sonderausstellung der ThULB Jena zum Thema: Schach. Spiel - Sport - Wissenschaft - Kunst)

Der Höhepunkt des Besuchs bestand allerdings in der Möglichkeit, einzigartige bibliophile Schach-Kostbarkeiten in Augenschein zu nehmen und sachkundig von Dr. Glatz und Dr. Ott, Leiter der Handschriftenabteilung, erläutert zu bekommen.

Nach drei Stunden ging es weiter nach Löberitz.

Ein wunderbarer Ort, ein Schachmuseum, das keinen Vergleich scheuen muss, war und ist zu bestaunen und zu erkunden. Der Besucher kann dort zutiefst erleben, dass Schach mehr, sehr viel mehr ist als ausschließlich 1. e2 – e4 …

Nämlich was?

Um das zu erfahren, lesen Sie bitte den nachfolgenden Bericht.

Eine Schachausstellung - Ein Schachmuseum

Jena und Löberitz

Ein Bericht in zwei Akten von Siegfried Schönle aus Kassel

1. Jena – eine Schachausstellung in der Thüringischen Universitäts- und Landesbibliothek

Ausstellungen, die sich explizit Schach zum Thema wählen, sind in deutschen Museen selten, wenn nicht gar rar zu nennen, für Räume in unseren Universitäten gilt dies erst recht.

Nicht so in Jena in der ThULB (Thüringische Universitäts- und Landesbibliothek), in der Dr. Glatz im Eingangsbereich der Uni in thematisch geordneten Vitrinen Schach. Spiel – Sport – Wissenschaft – Kunst zu einem sehenswerten Ganzen zusammenfügte.

Anlass genug für den Redakteur der Schachzeitschrift KARL, Harry Schaack, nach Jena zu reisen und im KARL 3/2021, S. 58-59, darüber zu berichten. Wir danken Harry Schaack für die Erlaubnis, seinen Artikel hier einfügen zu dürfen.

Es wäre nun nicht sinnvoll, hier unsere persönlichen Eindrücke auszuformulieren, weil dies weitgehend zu einer Doppelung führen würde. Wir beschränken uns deshalb auf wenige Bemerkungen und zeigen stattdessen einige Fotos zu Zimelien aus den Beständen der ThULB.

Dr. Glatz und Dr. Ott, Leiter der Handschriftenabteilung, erläuterten uns vier teils handkolorierte Exemplare der Weltchronik Hartmann Schedels (lat. Ausgabe Nürnberg 1493 in zwei Exemplaren, dt. Ausgabe Nürnberg 1493 und lat. Ausgabe Augsburg 1497 in jeweils einem Exemplar).

Ferner sahen wir Selenus 1616, Hortleder 1645, zwei seltene Schriften zu Kempelen: Hindenburg 1784, Ostertag 1783, Hyde, De ludis... 1694 und Weickhmann 1664.

Die Farbenpracht der ca. 500 Jahre alten Chronik zu sehen, war tief beeindruckend.

Offen blieb in diesem Kontext die Frage:

Ob es eine Beziehung zwischen Jacobus de Cessolis mit seiner Schachpredigt (Liber de moribus hominum et officiis nobilium ac popularium super ludo scacchorum, etwa „Buch der Sitten der Menschen und der Pflichten der Vornehmen und Niederen, vom Schachspiel abgeleitet“) und der Weltchronik mit Xerxes am Schachbrett gibt und falls ja, wie sich diese nachweisen lässt.

Zu Xerxes schrieb Antonius van der Linde 1874 in seiner Geschichte und Litteratur des Schachspiels, S. 10, auch indem er eine zweite Autorität der Schachgeschichte, Tassillo von Heydebrand und der Lasa zitiert, die folgenden Zeilen:

Der Dominicaner Jacobus Cessoles schreibt zwischen 1250-75: "Zur Zeit des Königs Evilmerodach von Babylon, eines ausschweifenden, ungerechten und grausamen Menschen, der die Leiche seines Vaters, Nebucadnezar, in 300 Stücke theilte und 300 Geiern zum verschlingen vorwarf, ward das Schachspiel erfunden. Der Erfinder dieses neuen Spieles war ein orientalischer Filosof, Xerxes bei den Chaldäern genannt, Philometer bei den Griechen, was so viel bedeutet, wie Freund des Masses oder der Gerechtigkeit. Der Anlass zur Erfindung dieser Unterhaltung war ein dreifacher. Zuerst die Besserung des Königs, dann das Streben, dem Nichtsthun vorzubeugen, und drittens, das vielfache Erdenken hinreichender Berechnungen. Eine schöne Stelle aus dieser theologischen Erfindungsfabel lautet nach v. d. Lasa's Uebersetzung: "Der Erfinder dieser Unterhaltung hatte sich ganz auf das Gebiet des Geistes versetzt und ersann auf diese Art ein an abwechselnden und zahllosen Verwicklungen reiches Spiel, welches durch die Fülle seiner Combinationen und die mannichfachsten Fälle der Aehnlichkeit, sowie durch den Scharfsinn der darin auszufechtenden Kämpfe berühmt wurde [...] Selenus combinirt 1616 auch Xerxes Philomater (sic)..."

2. Löberitz – ein Schachmuseum

Nach drei Stunden fuhren wir von Jena nach Zörbig / Löberitz. Unterwegs war es trocken, aber in Zörbig:

Es regnete! Ein zweites Mal in Zörbig / Löberitz!
Besser gesagt, es träschte! (nordhessisch für starker Regen)
Es regnete sehr stark! (Neuhochdeutsch für Starkregen).

Aber, es war wunder-wunderschön und alle wetterlichen Unbilden, denen wir (Konrad Reiß und Siegfried Schönle) uns aussetzen mussten, waren völlig unbedeutend, da die Vielfalt, der Reichtum an schachlichen Objekten aller Gebiete mich alles andere vergessen ließ!

Ein wunderbarer Ort, ein Schachmuseum, das keinen Vergleich scheuen muss, war zu bestaunen und – trotz des Regens –, der niemanden abschrecken sollte, nach Löberitz zu fahren, – so er denn will, wird zutiefst erleben, dass Schach mehr, sehr viel mehr ist als ausschließlich 1. e2 – e4 ...

Nämlich was?

Vitrinen und Schautafeln zu Themen und Schachgrößen wie

  • GM Dr. Robert Hübner, der offensichtlich eine besondere und persönlich geprägte Nähe zu dem Kurator Konrad Reiß und dem Schachmuseum besitzt. Urkunden und Pokale, aber auch originale Gutachten zu der Frage: Wer hat das Urheberrecht an den gespielten Schachpartien? Ferner ist zu erwähnen, dass GM Dr. Robert Hübner mehrfach an Turnieren in Löberitz teilnahm.
  • WGM Dana Reizniece-Ozola (ist Mitglied der SG 1871 Löberitz), die die FIDE zur Geschäftsführerin des Weltschachverbandes berufen hat. Gezeigt werden zu Ihrer Person ihre schachlichen Erfolge, ganzseitige Zeitungsartikel aus der Süddeutschen und vieles mehr. Auch zu dieser Schachspielerin und ehemaligen Finanzministerin Lettlands besitzt die Familie Reiß eine freundschaftliche Beziehung, die sich nicht nur an den Turniertabellen der GM-Turniere in Löberitz ablesen lässt.
  • Im gleichen Raum befinden sich auch einige Spielbretter und gut gefüllte Vitrinen mit Büchern zu den einzelnen Spielphasen.

Eine steile Treppe führt zu einem weiteren Ausstellungsraum nach oben. Jedoch, ein zügiges Hinaufgehen empfiehlt sich nicht, da an den Wänden Schach-Grafiken zu sehen sind. Vor allem werden zahlreiche künstlerische Arbeiten von Elke Rehder und Bernd Besser gezeigt.

Im oberen Raum, einem wesentlich größeren, setzt sich die schachliche Fülle fort: Regale mit Schachzeitschriften, aufklappbare Doppelscheiben mit Briefmarken und Ersttagsbriefen, Schachtische, Schachbretter, Regale gefüllt mit Schriften und Romanen zu Schach in der Literatur, Schachuhren usw. usw.

Für jede Schachspielerin, für jeden Schachspieler oder Schachsammler findet sich hier sicher etwas. Zu verweisen ist hier unbedingt auf die gut gestaltete Website des Löberitzer Schachmuseums:

https://www.schachmuseum-loeberitz.de

Konrad Reiß, der vor allem die Sammlung zusammengetragen hat und pflegt, auch gestaltet hat, diese ordnet, katalogisiert, wissenschaftlich erforscht und durch zahlreiche Publikationen bekannter macht, Besucher gerne empfängt und diese höchst sachkundig durch die Räume führt, ist in seiner Schachbegeisterung ganz sicher eine Ausnahme.

Kniend suchend oder sitzend lesend, Kurator und Besucher huldigen auf besondere Weise der Schachgöttin Caissa.

Der Besucher darf an dieser Stelle keineswegs schon müde werden, da er in diesem Falle einen Höhepunkt, wenn nicht gar den Höhepunkt, den ehemaligen Burgkeller, verpassen würde. Hierzu ist es vonnöten, die Kunststiege herunterzusteigen und um das Gebäude herumzugehen. Jedoch:

Es regnete immer noch in Zörbig / Löberitz! Besser gesagt, es träschte! (nordhessisch für starker Regen)! Der Weg ist kurz und schnell durchschritten. Lediglich die Brille musste getrocknet werden, da sonst das Sehen nicht möglich gewesen wäre.

Der Burgkeller ist prall gefüllt, mit der Historie des Burgkellers selbst, Schachfiguren aus verschiedenen Ländern und Schachbrettern. Ein Prunkstück, ein Schachtisch von der Olympiade in Leipzig 1960, Bobby Fischer : Michael Tal wird ausgestellt. An diesem haben sich auch schon zahlreiche bekannte und unbekannte deutsche Museumsbesucher ablichten lassen. Heute nicht mehr möglich, damals schon! Eine kleine Schublade, beidseitig links unter dem Tisch befindlich, fördert durch leichtes Ziehen einen Aschenbecher heraus.

Ob während der Olympiade am Brett geraucht wurde, wussten weder Konrad Reiß noch ich. Fotos, abgedruckt in dem schönen Band: XIV. Schach-Olympiade. Leipzig 1960, Sportverlag Berlin, geben eine klare Antwort. Erich Eliskases (Argentinien), Miroslav Filip (ČSSR) und – passend zum Schachtisch im Burgkeller – wird nach S. 40 Michael Tal rauchend am Brett in seiner Partie gegen Bobby Fischer gezeigt.

K. Reiß : S. Schönle, Juli 2021, 1:0
K. Reiß : S. Schönle, Juli 2021, 1:0

Ein weiterer thematischer Aspekt widmet sich den deutschen Schachverbänden, ferner der Sammlung Dagobert Kohlmeyers und auch zahlreiche Dokumente zu Schachwettkämpfen liegen zum Betrachten bereit.

Es ist nicht möglich, alles Gesehene hier zu beschreiben, das eine schaut man eher flüchtig an, das andere intensiv, weil es den eigenen Neigungen und Interessen entspricht.

Wache Augen und Ohren sind während der Besichtigung notwendig. Ohren? Ja, denn zu fast jedem Ausstellungstück weiß Konrad Reiß eine Anekdote oder den geschichtlichen Hintergrund sachkundig und lebhaft zu erzählen.

Zum Schluss dieses Teils eine Phantasie: Könnte ich solche Stunden zu Weihnachten oder auch zu anderen Anlässen verschenken, würde ich dieses Geschenk einigen Schachfreunden gerne unter den Baum oder auf einenGeschenktisch legen. Ich bin mir sicher, diese würden umso lieber nach dem Auspacken das Schachmuseum in Löberitz besuchen!

Und wie wahr ist das, was Konrad Reiß in der Mitteldeutschen Zeitung (MZ) 1991 schrieb – in Jena und Löberitz 2021 zu sehen war:

„Das königliche Spiel hat ein breites Spektrum“

Siegfried Schönle

Der Bericht als PDF-Datei:

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