Schach und Humor

oder CCI und CH&LS trafen sich in Plauen (28. – 30. Oktober 2022)

Plakat zur Ausstellung
Plakat zur Ausstellung

von Siegfried Schönle

Wieder einmal – und wie schon so viele Male zuvor an anderen Orten – trafen sich auf Einladung von Dr. Thomas Thomsen in Plauen ca. 65 Mitglieder der beiden Organisationen Chess Collectors International und Chess History & Literature Society.

Zu bewundern waren u.a. mit hoher handwerklicher Kunst gefertigte Schachfiguren des polnischen Künstlerpaares Magda und Andrzej Nowakowscy. Die Ausstellung Schachwunderland im Malzhaus zeigte die Vielfalt und Internationalität des Humors zum Schachspiel in verschiedensten Farben und Formen:

  • in der künstlerischen Gestaltung der Schachfiguren und der Schachbretter
  • in Cartoons, satirischen Darstellungen
  • in Filmen, Sketchen
  • in Parodien, Humoresken, Gedichten
  • in schachgraphischen Aufgaben (die Figurenstellung ergibt ein Bild)
  • in Schachscherzen, Kalauern
  • in Zeichnungen o.e. plauens (Erich Ohser 1903-1944), ein Künstler, der insbesondere durch seine Serien zu „Vater und Sohn“ bleibenden Ruhm und Bekanntheit erlangte.
o.e.plauen
o.e.plauen

Und, da wir in einer Stadt weilten, deren Name mit „Plauener Spitzen“ verbunden wird, erzwang von jedem Betrachter ein hauchzartes, filigranes Gewebe, ein großes Schachbrett aus Spitzen tiefe Bewunderung. Entworfen hat dies Ing. S. Melnyk und ist im Original 43 x 43 cm groß.

[Diese und weitere Fotos zur Ausstellung entnahmen wir dem Katalog: Schach Kunst und Humor | Chess Art and Humor, hrsg. v. Thomas Thomsen und Frank Bicker, Chess Collectors International, Königstein 2022, 40 S.]

Puzzle ball, geschnitztes Elfenbein. Egidius Lobenigk und Georg Wecker, Dresden, 16.Jh., Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Inv. II 293
Puzzle ball, geschnitztes Elfenbein. Egidius Lobenigk und Georg Wecker, Dresden, 16.Jh., Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Inv. II 293

Ein besonderer „Puzzle ball“, hier im übertragenen Sinn gemeint, [vgl. dazu den sehr empfehlenswerten Katalog Crossing Games. Journeys between East and West, Edition: MNAA 2022, S. 52-53] bildete für uns der Tagungsort Malzhaus.

Ist das Gebäude von der Architektur und seinem Gebälk ein wahres Schmuckstück, so enthielt es zwei weitere „Kugeln“. Den Tagungs- und Vortragsraum und insbesondere im Stockwerk darüber die reichhaltig ausgestaltete schmuckvolle Ausstellung.

Katalog: Märchenspiel. Schnitzerfamilie Pretzl, Kleinwalsertal.
Katalog: Märchenspiel. Schnitzerfamilie Pretzl, Kleinwalsertal.

Zum Verlauf des Wochenendes im Einzelnen:

Teilnehmer aus Holland, Frankreich, Belgien, USA, Deutschland u.a. Ländern versammelten sich im Tagungshotel am Freitag, den 28.10.22, ab 18:00 zu ersten Begegnungen und den ersten Gesprächen, natürlich überwiegend zu schachlichen Themen. Die Gespräche waren so vielfältig und vielstimmig, dass man schon mit kräftiger Stimme sich nur verständigen konnte oder musste. Erfrischende Getränke, auch zur Erholung der Stimmen, wurden gereicht.

Im Anschluss trafen wir uns zum gemeinsamen Abendessen, währenddessen die Plaudereien in etwas ruhigerer Atmosphäre sich fortsetzten.

Das Ende des Abends war wie immer offen und je nach Kondition oder Müdigkeit durch längere Anfahrten bestimmt.

Malzhaus, Plauen, Tagungsraum.
Malzhaus, Plauen, Tagungsraum.

Am Samstagmorgen um 9:00 Uhr versammelten sich die Schachfreunde zu den Vorträgen im Malzhaus. Ein schmucker und stimmungsvoller Ort. Kräftige Balken durchziehen den Raum, zwangen die größeren Teilnehmer zum Beugen, damit die Stühle erreicht werden konnten.

Prof. Angerstein und Dr. Thomsen begrüßten knapp und freundlich die Teilnehmer sowie weitere Gäste.

Alle erhoben sich zur Ehrung der verstorbenen Mitglieder zu einer Schweige- und Gedenkminute.

Hans Tempel, Schachverführung. Ausschnitt.
Hans Tempel, Schachverführung. Ausschnitt.

Danach leiteten sie zum Vortrag von Frank Bicker vom Vogtländer Schachclub e.V./ Plauen 1952 e.V. über, der das Malzhaus vorstellte und humorvoll begründete, warum man das Thema „Schach und Humor“ gewählt habe. Umgeben war die große Sitzgruppe der Sammler von Zeichnungen des Künstlers Hans Tempel.

Im Anschluss hörten wir einen sachkundigen Vortrag zur „Geschichte der Plauener Spitze“, deren Aufstieg und Niedergang, deren handwerkliche Anfänge bis hin zu Formen der Produktion durch Maschinen von Frau Katrin Färber, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Vogtlandmuseum Plauen.

Weniger zum Humor, aber umso mehr zur Schachgeschichte passend referierte Wolfgang Pähtz (Jena) aus seinen Forschungen zur „Geschichte der Schachfiguren der Schacholympiade Leipzig 1960“. Hilfreich und eindrucksvoll bebildert!

Auch nicht besonders humorvoll aufgrund seines Themas musste der Präsident der CCI, Michael Wiltshire, erste Erfahrungen zum Elfenbeinhandelsverbot in England berichten. Wenn auch verkürzt, aber immerhin sehr treffend wurde formuliert, dass die Verfahren zum Kauf von Elfenbeinfiguren sehr kompliziert geworden seien und Elefanten nicht durch Handelsverbote geschützt würden, sondern eher durch ausgebildete Ranger, die den Wilddieben das Jagen verunmöglichen könnten.

Georg Schweiger, von der Schach- und Kulturstiftung G.H.S. mit Sitz in Ebersberg, sprach zu seiner Ausstellung „Schach und Musik“, die am 5.11.2022 im Alten Speicher Ebersberg eröffnet wurde. Glanzstücke und -punkte erläuterte er vorab und seine wenigen mitgebrachten Kataloge zur Ausstellung waren in wenigen Minuten verkauft, können aber noch bestellt werden.

[Schach und Musik. Ausstellung im Saal „Unterm First“ Bürgerhaus im Klosterhof Ebersberg, 6.11.-27.11.2022. Hrsg. v. der Schach. und Kulturstiftung G.H.S. N. Niemeyer-Wasserer, G. Schweiger, Baldham - München 2022, 127 S., zahlreiche Abb. der Exponate]

Eine gemütliche Kaffeepause diente der Erholung.

Harry Schaack, Chefredakteur der bekannten Zeitschrift KARL, setzte die Vortragsreihe fort, indem er den schachlichen Werdegang des GM Yuri Averbakh, seine Erfolge am Schachbrett, seine Tätigkeiten als Schachfunktionär, seine Schachschriften in die Erinnerung rief. GM Yuri Averbakh verstarb am 7. Mai 2022 im Alter von 100 Jahren.

Zum Internationalen CCI-Kongress 2020 in St. Louis, USA, vor allem dazu, warum er stattfand trotz der Pandemie, erzählten Tom Gallegos und seine Frau. Ihr zweites Referat erfüllte dann aber in besonderer Weise das Tagungsthema Schach und Humor. Drei Filme zu Chess Humor from Saturday Night Live / Schach Humor aus der US-Serie Saturday Night Live flimmerten über die große Leinwand, brachten die Zuschauer zum Schmunzeln und Lachen.

Es folgte ein kurzer Bericht zu Problemen der Website der CCI und deren Aktivierung durch Gero Jung.

Einen bebilderten Vorgeschmack auf die Ausstellung bot Thomas Thomsen, indem er Vor- und Hintergründe zu den Schachbrettern und Schachfiguren des Künstlerpaares Magda und Andrzej Nowakowscy (Warschau) - wie immer sachkundig - zeigte und erläuterte.

Verschwiegen sei hier nicht, dass Dr. Thomas Thomsen großzügiger Leihgeber der Preziosen wie auch Mit-Gestalter der Ausstellungsräume war. Die Teilnehmer dankten durch ihren Beifall.

Im „Alten Handelshaus“, errichtet 1789 in der Straßberger Straße 17 in Plauen, wenige Schritte vom Tagungsort entfernt, warteten Knödel und Sauerbraten auf uns.

Nach dem Mittagessen gelangte die Ausstellung „Schach und Humor“ zur Eröffnung. Es war allen anzusehen und anzuhören, dass sie tief beeindruckt von der Schönheit der in zahlreichen Vitrinen gezeigten Objekte waren. Schmunzelnd schritt man entlang der äußeren Wände, um die Schachkarikaturen, Comics, Zeichnungen u.a. zu betrachten.

Schneewittchen. Aquarell. Jens Bleul.
Schneewittchen. Aquarell. Jens Bleul.

Wirklich dringend sei allen Interessierten, vorwiegend den Schachfreunden, die nicht anwesend sein konnten, der Katalog zur Ausstellung „Schachwunderland“ nicht ans Herz, aber in die Hände empfohlen. Ausgesprochen beste farbige Fotographie [David Hall u.a.] und lesenswerte Texte der Autoren [F. Bicker, Dr. Iris Haist, Dr. Th. Thomsen] lassen diesen zu einem Genuß werden.

Schon gute Tradition kann man den nachmittäglichen Schachmarkt nennen, der allen Sammlern die Gelegenheit zum Tausch, aber auch zum Verkauf und Kauf bot.

Gegen Abend entspannte ein kleiner Fußweg zum Hotel Alexandra. Dort aß man in einem stimmungsvollen Raum ein schmackhaftes Essen und genoß dazu, je nach Wahl und Vorliebe, Rot- oder Weißwein aus Spanien.

Ein Sketch, organisiert von Peter Seitz, ihm zur Seite freiwillige Gruppenmitglieder, passte wiederum sehr zum Humor, indem „Der Schach-Türke“ zur Premiere gelangte.

Die warme Oktobersonne, die am Sonntagmorgen mitgebrachte Jacken und Mäntel überflüssig werden ließ, zeigte Plauens Innenstadt von der besten Seite. Markplatz, Rathaus, das Bürgerdenkmal zur Friedlichen Revolution 1989 fanden interessierte Betrachter und auch die von Frank Bicker gewährten kurzen Einblicke in die Geschichte der Stadt Plauen nahm man dankbar zur Kenntnis.

Teilnehmer der Tagung, die am Sonntag, 30.10.2022, an der Stadtführung teilnahmen.
Teilnehmer der Tagung, die am Sonntag, 30.10.2022, an der Stadtführung teilnahmen.

Abschluß dieses schönen und interessanten Wochenendes bildete unser Besuch in der Galerie e.o. plauen.

Einem roll-up, zu sehen und zu lesen in dem Museum, entnehmen wir den folgenden Text zur Biographie des Künstlers:

„Künstler und Mensch. Erich Ohser alias e.o.plauen (Untergettengrün 1903-1944 Berlin) ist einer der Urahnen des Comics im deutschsprachigen Raum. Seine meist pantomimischen Bildgeschichten Vater und Sohn waren schon zu deren Entstehungszeit (1934-1937) äußerst beliebt und eroberten nach und nach bis heute - auch internationale Kinderzimmer. Dass er darüber hinaus eine große Bandbreite an Stilen und Genres hervorbrachte, wissen eher wenige. Zusammen mit seiner Ehefrau Marigard, geborene Bantzer, bekam er 1931, ein Jahr nach der Hochzeit, einen Sohn mit dem Namen Christian. Marigard war Illustratorin für Kinderbücher und Spiele und verdiente in Zeiten des Berufsverbots für Ohser den Unterhalt für die Familie. Ohser war zeitlebens ein leidenschaftlicher, humorvoller und ehrlicher Mensch, laut und offen. Auch deshalb wurde er nach einer kritischen Äußerung gegen den Krieg und gegen das Nazi-Regime wegen »Wehrkraftzersetzung« inhaftiert.

In der Nacht vom 5. auf den 6. April 1944, in der Nacht vor dem Prozess, nahm er sich in seiner Zelle das Leben.“

Die 6 Zeichnungen zur bekannten Geschichte Schach dem Vater entnehmen wir der Erstausgabe:

Plauen, E.O. [d.i. Erich Ohser 1902-1944]. Vater und Sohn. 50 lustige Streiche u. Abenteuer gezeichnet v. E. O. Plauen; Vorwort von Hans Ohl. Berlin, 1.Aufl. 1935: Ullstein. o.p. OBrschr.

Ich bin fest davon überzeugt, dass ich im Namen aller Teilnehmer sagen darf, wir danken herzlich all denjenigen, die zu diesem schönen Wochenende beigetragen haben.

Siegfried Schönle (Kassel), November 2022.

Katalog: Märchenspiel. Schnitzerfamilie Pretzl, Kleinwalsertal.
Katalog: Märchenspiel. Schnitzerfamilie Pretzl, Kleinwalsertal.

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