Literatur, Schach spielende Frauen und Bertolt Brecht

Elisabeth Pähtz bei den Dortmunder Schachtagen 2018
Elisabeth Pähtz bei den Dortmunder Schachtagen 2018

von Dr. Bernd-Peter Lange

I.

Erst in neuerer Zeit gibt es größere Risse in der lang währenden Dominanz der Männer im Schachspiel. Erst jetzt erhalten die Turniere der weltbesten Schachspielerinnen eine ähnliche mediale Aufmerksamkeit wie die der Männer. In die Weltspitze dieses hochzerebralen, längst professionalisierten Spiels dringen inzwischen immer mehr Frauen vor, speziell von außerhalb der westlichen Welt. Immer noch allerdings scheinen entwicklungspsychologische Hürden diesem Aufholprozess enge Grenzen zu setzen. Seit Piaget sind die unterschiedlichen Spielpräferenzen von Jungen und Mädchen für die Neigung der Mädchen zu kooperativen turn-taking-games sowie der Jungen für antagonistische Nullsummenspiele verantwortlich gemacht worden.[1] Maskulinität ist bis heute eine Signatur des Schachspiels in der sozialen Wirklichkeit.

Dies ist auch ein im angelsächsischen Bereich verbreiteteres Motiv als etwa im deutschsprachigen, in dem die Auseinandersetzung mit dem Genderproblem im Schachspiel nicht auf eine vergleichbar kontinuierliche Tradition zurückblicken kann, selbst wenn seit dem Boom um den Medienerfolg des Films Damengambit vor einigen Jahren das Schach von Frauen stärker in die Öffentlichkeit dringt. In Deutschland folgte dem kürzlich eins der wenigen Bücher über Geschlechterverhältnisse im Schach aus der Feder der Großmeisterin Elisabeth Pähtz, Wer den vorletzten Zug macht, gewinnt! Ein bekannteres älteres Beispiel für die kritische Thematisierung des Geschlechterverhältnisses aus maskuliner Perspektive im Schach ist Julian Barnes` Bericht über die vakante Weltmeisterschaft zwischen Kasparov und Nigel Short (1993).

II.

In der Literatur steht das Schachspiel eher am Rande des thematischen Spektrums schreibender Frauen. Wenn Nora Bossong in ihrem Roman Webers Protokoll (2011) die Handlung entlang der berühmten Partie im Weltmeisterschaftskampf zwischen Euwe und Aljechin strukturiert, so bleibt die Blickrichtung eine auf die Männer. Gelegentliche Ausnahmen von dieser Randstellung der Frauen auch in feministischer Literatur sind noch immer eher im britischen Bereich anzutreffen. Dort ist in der Geschichte des modernen Schachspiels die Emanzipationsbewegung der Frauen vor anderen Ländern in die männlich beherrschte Turnierpraxis eingedrungen.

Zwei Beispiele aus der britischen Gegenwartslyrik geben ein Bild der exzentrischen Stellung von Frauen zum Schach. Ein Gedicht der Autorinnengemeinschaft Suniti Namjoshi und Gillian Hanscombe setzt der männlichen Ordnung eines marmornen Schachbretts die exterritoriale Position weiblicher Wesen entgegen, „squatting on the sidelines“.[2] Sie bewegen sich vom Spielfeld weg, auf dem das Spiel abgesagt worden ist und auf dem daher selbst die wichtigste Figur des Spiels, die Königin (Dame) abdankt: „They have chosen instead to witnesss abdication.“ Auch von solcher Entsagung reicht eine Tradition bis zurück in die viktorianische Epoche. Ein Satz in einer Biographie der Dichterin Christina Rossetti belegt dies: „She gave up at an early age the game of chess, of which she was rather fond, and this simply because she thought it made her too eager for a win.“[3]

Ungleich weniger metaphorisch als in Namjoshi/Hanscombes Gegenüberstellung männlich versteinerter und weiblich-naturhafter Ordnungen dieses Gedichts behandelt die englische Lyrikerin Carol Rumens einen kritischen Bezug der weiblichen Subjektposition auf das Schachspiel als Spiel von Männern. Sie geht den Weg der Selbstausgrenzung. Das Gedicht „A Poem for Chessmen“ (semantisch Schachfiguren wie Schachspieler) zeichnet einen Kontrast zwischen der weiblichen Ichinstanz, die sich durch die Reihen schachspielender Männer bewegt, „politely demolishing each other“, und setzt sie zu sich in eine psychogenetische Beziehung, : „ Long ago, I set up my pieces/against my father, as you did,/ but it was only fun./ Pretty face, I was free to lose.“[4] Noch schärfer stellt Rumens im Gedicht „Chessplayers“ den an Schauplätzen von Flandern bis Stalingrad Krieg führenden schachspielenden Männern die Frauen gegenüber: „The women are somewhere else,/harmless, beyond hope.“[5] Auch hier hat die weibliche Außenstellung zu der in Schachspiel eingeübten Aggressivität ihre Wurzeln in frühkindlicher Sozialisation und steht bei den Männern verschiedenen Formen von zivilisierter bis roher Gewalt gegenüber. Ungleich selbstbewusster zieht später die amerikanische Anthropologin die Trennlinie zwischen schachspielenden Männern und abstinenten Frauen: „Women could be just as good at chess, but why would they want to be?“[6]

III.

Bei den Schach spielenden Frauen um Bertolt Brecht, die in der kritischen Diskussion vor einiger Zeit in einer ikonoklastischen Wendung zynisch als sein Harem benannt worden sind – was beiden Unrecht tut – setzte sich das tradierte Genderverhältnis des Schachspiels komplex in die Lebenswirklichkeit um. Die Aneignung des Schachspiels und anderer Strategiespiele durch den jungen Brecht folgte zeittypischen maskulinen Mustern. Sie verlief über das elterliche Wohnzimmer, in dem Brecht regelmäßig mit dem Vater und später Freunden Schach spielte. Die im Ursprung des Schachspiels symbolisierten Kriegsstrategien waren für den jungen Brecht in der Schulzeit ein starker Reiz, ebenso wie seine der männlichen Sozialisation entgegenkommende kompetitive Grundstruktur.[7] Mädchen werden in den Tagebüchern Brechts wie auch in den späteren Biographien in diesem Zusammenhang nie erwähnt.

Ein neues soziales Umfeld fand Brechts Spielinteresse nach der Aufnahme des Studiums in München in der Schwabinger Bohème und später auch in Berliner Cafés. Dagegen war für Brecht wie für etliche andere Künstler und Intellektuelle während des deutschen Faschismus das Exil die hohe Zeit seiner Schachpraxis, bei den meisten als Korrektiv der sozialen Isolation. Seine überlieferten Schachaktivitäten, sei es mit den Frauen in seinem Umfeld wie auch mit Hanns Eisler und Walter Benjamin, fallen überwiegend in die Periode des Exils in „Dänisch-Sibirien“, wie er Fünen spöttisch nannte. Im späteren kalifornischen Exil gab es gelegentliche Schachpartien – eint im ersten erworbenen Haus in Santa Monica geschriebenes Gedicht nennt „die Schachfiguren auf dem Tisch in der Ecke“ in Brechts Arbeitsraum.[8] Eine kuriose, politisch entlastende Funktion gewann das Schachspiel am letzten Tag von Brechts Exil in den USA. In seinem berühmten Verhör vor dem Kongressausschuss für unamerikanische Aktivitäten beantwortete Brecht die Frage nach seinen Kontakten mit dem Politiker Gerhart Eisler mit dem Satz „We played some games of chess, too.[9]

IV.

Brechts früh festgestellte Konkurrenzorientierung und der Ehrgeiz auch im Spiel setzten sich unvermindert in seiner Exilgemeinschaft fort. Sie lässt sich am deutlichsten in seiner Beziehung zur geliebten Mitarbeiterin Margarete Steffin ablesen. Sie war Brechts häufigste Schachpartnerin im Exil und korrespondierte mit Benjamin um seine Aufenthalte in der Svendborger Exilcommunity herum. Die bürgerliche Sozialisation, die die beiden Schriftsteller erlebt hatten, schloss das weibliche Geschlecht, wenngleich nicht prinzipiell, so doch faktisch fast immer aus. In Benjamins und Brechts Kindheit spielten Frauen als Schachpartnerinnen, ob Mutter, Schwester oder Spielkameradin, keine Rolle. Dies änderte sich erst später, in beiden Fällen nach der Heirat. Auch dann blieben die beiden Ehefrauen beim Schach so wenig ebenbürtig wie auch Benjamins Schwägerin Hilde gegenüber seinem Bruder Georg. Benjamin wechselte, da sich seine Frau Dora bei verlorenen Schachpartien erboste, vom Schach zum Go als alternativem Brettspiel. Brechts Lebensgefährtin und Ehefrau Helene Weigel erlernte das Schachspiel erst im Svendborger Exil und wird als Spielpartnerin ebenfalls nicht erwähnt.

Ruth Berlau, 1937
Ruth Berlau, 1937

In der kleinen politisch progressiven Exilgemeinschaft in Dänemark ließ sich diese Marginalisierung der Frauen trotz Brechts von seiner frühen und späten Mitarbeiterin Elisabeth Hauptmann kritisierten „Hierarchiespiele“ nicht vollständig aufrechterhalten. Freilich wirft die andere Geliebte, Mitarbeiterin und auch gelegentliche Schachpartnerin Brechts im skandinavischen Exil, Ruth Berlau, in ihren Erinnerungen Brecht eine snobistische Vorliebe für Wissenschaftler (wie ihren Mann) und andere Prestige gebietende Männer als Schachpartner vor.[10] Einer Hierarchisierung kommt das moderne Schachspiel ohnehin durch seine in Ziffern berechenbare Differenzierung der Spielstärken und seine Titelhierarchie entgegen.

Nach den überlieferten Äußerungen fällt jedoch auf, dass die unterschiedlichen Beziehungen der Frauen um Brecht und auch Walter Benjamin zum Schachspiel eine Eigenschaft teilten, die sie von den Männern trennte. Bei den Frauen gewann die affektive Dimension des Schachspiels zuweilen die Oberhand und kam in ihrer Kommunikation viel leichter an die Oberfläche. So als Wut in der Niederlage bei Margarete Steffin und bei Dora Benjamin, in eher ironisch distanzierter Weise bei Helene Weigel in einem Brief an Benjamin, in dem sie ihn zum erneuten Besuch in Dänemark ermuntert: „Ich habe angefangen, Schachspielen zu lernen, und es gäbe also die Gelegenheit für Sie, mich tot zu ärgern. Wann haben Sie Lust dazu?“[11] Die freundliche Einladung nimmt hier den antizipierten Ärger zurück. Dass jedoch das Schachspiel und körperliche Auseinandersetzungen eng zusammenliegen können, zeigt ein späterer Bericht von einer Stieftochter Ruth Berlaus über ihre Mutter und Helene Weigel, die sich beim Schachspiel buchstäblich in die Haare gerieten.[12]

V.

Unter den Frauen um Brecht im Exil hatte Margarete Steffin schon aufgrund ihrer Herkunft aus proletarischen Berliner Verhältnissen eine Sonderstellung.[13] Dies gilt auch für ihre frühe, nicht erst durch den Brechtkreis geweckte Schachleidenschaft. Bei ihr war sie nicht einfach ein Produkt ihrer familiären Sozialisation, in der ihr Vater ihr Bildungsinteresse als nicht klassengemäß unterdrückte. Sie verdankte sich vermutlich erst dem relativ emanzipierten Milieu des Arbeitersportvereins Fichte und anderer kultureller Institutionen der deutschen Arbeiterbewegung als Ort sozialen Lernens außerhalb der beengten, wenn auch politisierten häuslichen Sphäre. In einem Text „Schach bei Erpel“, der sich auf Berichte ihrer Berliner Freunde stützte, die sie im Tessiner Sanatorium empfing, versetzte sie sich in die Rolle eines Mitglieds der Kommunistischen Jugend Deutschlands. Nach deren Verbot durch die faschistischen Machthaber imaginierte sie sich als Teilnehmerin an einer Schachunterweisung in einem Berliner Jugendheim, die der Tarnung der fortgesetzten politischen Zusammenkünfte ihrer Gruppe diente.

Als aktiv schachspielende Frau in Brechts dänischem Exil war das Spiel für sie Medium einer, obschon spielerischen, weiblichen Selbstermächtigung. Sie stieß, so wie auch ihr Verhältnis zu Brecht, das sie selbst einmal „sklavisch“, eine Brechtbiografie dagegen bescheiden von Verzicht geprägt nannte,[14] an Grenzen, die sich im Spiel niederschlugen und schließlich fast zu seiner Aufgabe führten. Steffins Briefe an Benjamin bestärken Klaus Theweleits Interpretation ihres Lebens im Lichte des mythischen Modells von Eurydike zu Orpheus. Sie zeigen, wie sich die hierarchischen Arbeits- und Liebesbeziehungen auch in den Zerstreuungen der Freizeit spiegeln. Daher ist die Aussparung dieser häufigen Zerstreuung aus Steffins Biografie fragwürdig- in Hartmut Reibers ansonsten dicht belegter Biografie stehen nur ein Foto Steffins und Brechts am Schachbrett sowie eine nicht persönlich bezogene Klage in Walter Benjamins Brief über das Ende der Schachpartien im Svendborger Garten Brechts für dieses von Steffin häufig erwähnte Spiel.[15]

Anfänglich, noch vor der späteren Nähe zum Svendborger Anwesen der Familie Brecht, tröstet sich Steffin über die Isolation in ihrer kargen Kopenhagener Pension hinweg, (weil ich) „doch wenigstens schach oder bridge spielen kann, so oft ich lust habe.“[16] Drei Monate später hat sich in den täglichen Schachpartien mit Brecht eine Routine eingestellt, die Langeweile zu erzeugen droht: „jetzt suchen wir neue Partner, weil jeder schon die Züge des andern kennt.“ Nachdem Brecht in Benjamin einen neuen Partner gefunden hat, vertreibt sich Steffin die Zeit ihres Klinikaufenthalts im Kaukasus mit Schach und Poker. Aus Moskau bringt sie sich „herrliche (einfache) Figuren“ nach Svendborg mit, die sie zum Selbststudium verwendet: „neben mir steht mein neues, schönes Schachspiel aufgebaut und ganz selten mal spiele ich mit mir nach dem schachbuch. Oft spiele ich auch mit brecht, aber wenn ich verliere, werde ich tatsächlich furchtbar wütend.“ Für diese Affektflutung gab es mehr und mehr Anlass. Steffin wird als Partnerin am Schachbrett vom dem stärker spielenden Hanns Eisler ersetzt: „ich spiele nicht mehr schach, dem brecht spiele ich anscheinend nicht mehr gut genug, seit er gegen eisler öfter gewinnt.“

Das bekannte Foto von Brecht und Steffin am Schachbrett aus dem schwedischen Zwischenexil 1939 scheint ihrer Nennung als Brechts „hellblonde Gehilfin, deren Züge einer Zeichnung von Kollwitz“ in Peter Weiss´ Ästhetik des Widerstands ähneln, zu entsprechen: einer freudlos getroffenen Steffin, von dem großen Holzkasten für die Schachfiguren auf ihrer Tischseite eingeengt, sitzt Brecht mit konzentrierter Mimik und forsch ausladender Gestik gegenüber.

Margarete Steffin und Bertolt Brecht
Margarete Steffin und Bertolt Brecht

Steffins Abschied vom Schachbrett ist zwar nicht buchstäblich zu nehmen, aber ein Jahr nach dem angekündigten, jedoch nicht realisierten Ende des Schachspiels mit Brecht hat ihr Selbstbewusstsein einen Tiefpunkt erreicht: „schach spiele ich schlechter und schlechter:“ Fraglich scheint, ob dem gegen Ende des Svendborger Exils die Partien gegen den dreizehnjährigen Sohn Brechts mit Helene Weigel, Stefan, abgeholfen haben können: „Steff hat mich einige male besiegt.“ Es ist, als ob die Schachspielerin Steffin im Spiel ihr Selbstvertrauen ebenso eingebüßt hat wie in ihrem unterwürfigen Verhältnis zum geliebten Mann.

Die eigene subalterne Position im Verhältnis zu Brecht muss für Steffin umso schwerwiegender gewesen sein, als sie in ihren Notizen aus einem ersten Aufenthalt in Moskau die von ihr wahrgenommene praktizierte Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern hervorgehoben hatte.[17] Im Schachspiel hatte sich eine Parallele zu ihrer untergeordneten Funktion im Literaturbetrieb um Brecht gebildet, die erst nach Freilegung ihres Nachlasses einer neuen Einschätzung ihres Beitrags zum Korpus des Werks von Brecht und ihrer Anerkennung als eigenständige Schriftstellerin gewichen ist. Die Benennung einer neuen Straße nach Margarete Steffin im geographischen Umfeld des Berliner Ensembles spiegelt diese Anerkennung in zwiespältiger Weise, indem sie ihr Gedächtnis als „relative woman“, als durch die Verbindung mit dem klassisch gewordenen Autor geadelte Frau, in die Stadtlandschaft einschreibt.

VI.

Die literarische Moderne kennzeichnet ein weites Spektrum des männlichen Schachinteresses zwischen gelebter Realität und literarischer Fantasie. Kafkas protofeministische Abneigung gegen den Wunsch, in einem Wettbewerb der erste sein zu wollen, findet im konkurrenzorientierten Schachspiel keinen Ort. So hat etwa bei Lewis Carroll die herrschaftsanalytische Bilderwelt von Through the Looking-Glass, and What Alice found there, die Ermächtigung von Alice zur Krönung als Schachkönigin und zum Mattsetzen des roten Königs, eine Ergänzung in der unverhohlen pädophilen Faszination mit dem fotographischen Abbild kindlicher Mädchen.[18]

Bei Walter Benjamin stand der philosophischen Reflexion von Schachmotiven die von erotischen Nuancen keineswegs freie, jedoch durchaus gleichberechtigt freundschaftliche Begegnung am Schachbrett mit Gisèle Freund und Hannah Arendt gegenüber. In einer späten Grußkarte an Arendt freute er sich voller Ungeduld darauf, dass beider Springer sich auf dem Schachbrett miteinander „herumbeißen“[19], wenn hier aggressive Motive männlicher Schachpraxis anklingen, so sind sie doch gleichmäßig auf beide Geschlechter verteilt und ohnehin humoristisch entkräftet.

Bei Brecht dagegen stand das Dominanzverhalten gegenüber den schachspielenden (und andern) Frauen gegenüber, das er im Spiel selbst aber vornehmlich männlichen Partnern gegenüber austrug, im partiellen Widerspruch zu einer Definition des Sozialismus, die er in einer Notiz im finnischen Zwischenexil am 7.3.1941 in sein Journal eintrug. Er sieht den Sozialismus dort als Große Produktion, die der „Befreiung aller Menschen von allen Fesseln“ gälte: „Die Produkte können sein Brot, Lampen, Hüte, Musikstücke, Schachzüge, Wässerung, Teint, Charakter, Spiele usw. usw.“[20] An dieser Liste fällt die sehr gemischte Genderspezifik ebenso auf wie die Einbeziehung des Schachspiels. Ein gegenwärtiges Pendant solcher Befreiung des Spiels von männlicher Vorherrschaft bildet sich in den neuen Medien der Kommunikation heraus. In den vielen Einträgen des Internets zum Thema „Schach und Frau“, zum Beispiel in Wettbewerben zu Schachgedichten, taucht die Klage über die Ungleichheit unter den Geschlechtern kaum noch auf.

Bernd-Peter Lange (Berlin)

Notes

  1. S.Carol Gilligan, In a Different Voice. Psychological Theory and Women´s Development. London /Cambridge (Mass.): Harvard University Press1982, 9ff.
  2. Suniti Namjoshi/Gillian Hanscombe, „Lapis Ludens“, in: Flesh and Paper. Seaton (Devon): Jezebel Tapes and Books 1986, 11.
  3. William Michael Rossetti, „Memoir“, in The Poetical Works of Christina Georgina Rossetti. London : Macmillan, repr. 1911,. xv.
  4. Carol Rumens, „A Poem for Chessmen“, in: Blake Morrison und Andrew Motion, eds., The Penguin Book of Contemporary British Poetry. London repr. 1988, 161 f.
  5. Carol Rumens, „Chessplayers“ (1978), in: Andrew Waterman (ed.)., The Poetry of Chess. London: 1981, 71.
  6. Jennifer Shahade, Chess Bitch. Women in the Ultimate Intellectual Sport. Los Angeles: Siles Press 2005, 156.
  7. Stephen Parker, Bertolt Brecht. A Literary Life. London: Bloomsbury 2014, 24.
  8. „Sommer 1942“, Bertolt Brecht, Die Gedichte, ed. Jan Knopf. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2007, 1324.
  9. So im Mitschnitt von Brechts Aussage vor dem House Un-American Activities Committee in Washington am 30.10.1947. Brechts Lai-tu.
  10. Erinnerungen und Notate von Ruth Berlau, hg. Hans Bunge. Darmstadt/Neuwied: Luchterhand 1987, 30.
  11. Helene Weigel an Walter Benjamin 30.1.1935, zit. in: Erdrmut Wizisla, Benjamin und Brecht. Die Geschichte einer Freundschaft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2004, 103.
  12. Zitiert in John Fuegi, The Life and Lies of Bertolt Brecht. London: Flamingo 1995, 347. So auch, nach der scharfen internationalen Kritik von Fuegis Buch, in der verbesserten und erweiterten deutschen Fassung in Brecht&Co. Biographie. Berlin: Ullstein 1999, 493f. Hier wird das „hair-tugging match“ allerdings zum „kämfend auf dem Fußboden Herumtollen“.
  13. Zu Margarete Steffins Biographie s. Konfutse versteht Nichts von Frauen .Nachgelassene Texte, ed. Inge Gellert. Berlin. Rowohlt 1991.
  14. S. Werner Mittenzwei, Das Leben des Bertolt Brecht, oder Der Umgang mit den Welträtseln. Frankfurt a.M. 2. Aufl.: Suhrkamp 1989, I, 486ff.
  15. Hartmut Reiber, Grüß den Brecht. Das Leben der Margarete Steffin. Berlin: Eulenspiegel Verlag 2008, 225, 299.
  16. S. Margarete Steffin, Briefe an berühmte Männer. Walter Benjamin, Bertolt Brecht, Arnold Zweig, ed. Stefan Hauck, Hamburg: Europäische Verlagsanstalt 1999, 49-313.
  17. S. den Brief Steffins an Brecht vom 23.6.1932 in Briefe an berühmte Männer, bes. 57.
  18. Vgl. Bernd-Peter Lange, „Der Meisterdiskurs: Symbolische Herrschaft in Lewis Carrolls Through the Looking-Glass“, Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik 18 (11993, 1), 91-125.
  19. Ansichtskarte Walter Benjamins an Hannah Stern (d.i. Hannah Arendt) vom 30.8.1937, in Arendt und Benjamin. Texte, Briefe, Dokumente, eds. Detlev Schöttker und Erdmut Wizisla, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2006, 129.
  20. Bertolt Brecht, Journale I, eds. Werner Hecht u.a., Berlin und Weimar/ Frankfurt a.M.: Aufbau und Suhrkamp 1994, 468 (Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, 26)

Zurück