Schach im DP-Lager Landsberg und im Ghetto Terezín / Theresienstadt
Schwarzweiße Wege der Forschung zu Nathan Markowsky und Isidor Schorr
Bemerkungen zum aktuellen Buch von Siegfried Schönle aus Kassel
von Konrad Reiß
Früher bin ich oft durch Theresienstadt gefahren. Der Ort lag an der Route zur Schneekoppe, wo mein Verein, die Schachgemeinschaft 1871 Löberitz, jedes Jahr um Ostern herum einige Tage das Schachspiel mit dem Urlaub verbindet.
Jedes Mal, wenn ich durch den Ort fuhr oder selbst nur das Wort Theresienstadt hörte, muss ich an das Elend denken, das jüdische Menschen dort auszustehen hatten. Gleichzeitig verdunkeln Szenen aus dem Propagandafilm der Nazis mit dem Titel „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“1 meinen Sinn.
Perfider und perverser kann das Ghetto Theresienstadt nicht bezeichnet werden. Nun, das Lager war kein Vernichtungslager, diente aber dennoch als Vorhof zur Hölle. Diese Höllen gab es als Hauptlager (24) und als Außenlager (1.000) zwischen ca. 1933 und 1945. Sie trugen die Namen Auschwitz, Majdanek, Belcek, Sobibor oder Treblinka.
Doch zurück zu Theresienstadt und in die Zeit von 1941 bis 1945 und darüber hinaus. Denn dahin begibt sich der Autor des Buches „Schach im DP-Lager Landsberg und im Ghetto Terezín / Theresienstadt“, Siegfried Schönle aus Kassel. Er dokumentiert ausführlich, dass die dort eingepferchten jüdischen Menschen trotz aller Erniedrigungen versuchten, ihre Würde zu behalten. Und das unter anderem durch das Schachspiel!
Das Buch besitzt den Subtitel „Schwarzweiße Wege der Forschung zu Nathan Markowsky und Isidor Schorr“. Diese Forschungsergebnisse ziehen sich durch alle Kapitel.
Hierfür sammelte Siegfried Schönle zahlreiche Nachweise, bestehend aus Dokumenten, Fotos zu Schachfiguren (28 Abb.) und Gemälden (3 Abb.) sowie Zeichnungen mit Schachmotiven (13 Abb.) der Häftlinge. Zahlreiche Anfragen an Archive und Gedenkstätten in Deutschland, Polen, Tschechien, Israel und Amerika entwickelten sich unter Verwendung mehrerer Sprachen zu einer zeitraubenden Arbeit.
Schlussendlich gelang es ihm, die Schachaktionen in Theresienstadt, unter der Leitung von Isidor Schorr und Jaroslav Dubsky, aufzuspüren und dem Leser zu präsentieren.
Isidor Schorr ist wohl sehr vielen Schachspielern als Herausgeber des Turnierbuches Teplitz-Schönau 1922 bekannt. Er war Jude und wurde in Theresienstadt inhaftiert, war dort Leiter einer "Schachvereinigung" und wurde in Auschwitz ermordet. Seine und weitere Schach - Aktivitäten in Terezín kann der Autor mit zahlreichen Dokumenten, abgedruckt als Faksimile, belegen.
Mit dem Bericht über die 1. Jüdische Schach-Olympiade 1946 im DP-Lager Landsberg am Lech, wo sich heimatlos gewordene Juden nach der Befreiung neu auf ihre Zukunft hin orientierten, betritt Schönle die Nachkriegszeit. Hier u.a. verbunden mit dem Namen Nathan Markowsky.
Nathan Markowsky begleitete Emanuel Lasker Ende 1932 auf seiner Reise durch die baltischen Staaten. In Stichworten: Ghetto Kovno, Transport, Dachau / Außenlager Kaufering, DP-Lager Landsberg, dort aktiv an einer "Schacholympiade" der 15 amerikanischen DP-Lager beteiligt, Stiefvater des Künstlers Samuel Bak (zwei farbige Gemälde von ihm umschließen das Buch), Israel, dort verstorben.
Auch das ist ein bislang völlig unbekanntes Themenfeld.
Das alles erfährt man auf 228 Seiten + 14 Titelei-und Vorsatzseiten im durchgängig bebilderten Farbdruck auf lesefreundlichem Munkenprint-Papier. Das Buch, gedruckt im Format 16,5 x 24,0 cm, besitzt einen handlichen Festeinband.
Schade ist, dass dieser Titel nur in einer kleinen, damit exklusiven Auflage durch das Schachmuseum Löberitz in Verbindung mit dem Autor herausgegeben wurde. So wird das Buch, das kann man jetzt schon voraussagen, zum Sammlerstück für die fachlich orientierten und interessierten Kenner der Materie.
Für Siegfried Schönle ist die bearbeitete und erforschte Thematik nicht unbedingt Neuland, denn mit seinen Veröffentlichungen zum Schachspiel im KZ Buchenwald2 3 4 kennt er sich in der Thematik aus.
„Schach im DP-Lager Landsberg und im Ghetto Terezín / Theresienstadt“ leistet, gerade in unserer jetzigen politischen und damit auch gesellschaftlich angespannten Zeit, einen kleinen Beitrag wider das Vergessen.
Das Buch, eine ansehenswerte Manufakturarbeit, ist über den Autor (Siegfried Schönle, 34130 Kassel, Am Hange 10, oder per E-Mail hsschoenle2@aol.com) zu bestellen:
26 Euro plus Porto/ Paket 7 Euro: 33 € (für Mitglieder der CH&LS 20 € plus Porto).
Konrad Reiß – Schachmuseum Löberitz –
November 2024
1 Wikipedia
2 Schach im Konzentrationslager Buchenwald. In: KARL. Das kulturelle Schachmagazin. Heft 1/2017, S. 30-32.
3 Schach im KL Buchenwald (15.7.1937 - 11.4.1945), In: Caissa. Zeitschrift für Schach- und Brettspielgeschichte. Journal of Chess and Board Game History, Teil 1 (2. Jg., Heft 2/2017, S. 69-81), Teil 2 (3. Jg., Heft 1/2018, S. 68-103) u. Teil 3 (3. Jg., Heft 2/2018, S. 12-49).
4 Schach und Tarnschriften ... Streng Geheim!! Konspirativ!! Lebensgefährlich!! In: Caissa. Zeitschrift für Schach- und Brettspielgeschichte. Journal of Chess and Board Game History, 1. Jg., Heft 2/2016, S. 67-77.