KWA-Jubiläumsfeier in Braunschweig (7.11.2008)

Zur 5-jährigen Jubelfeier der KWA in Braunschweig

Zum Stiftungsfest anlässlich des 5-jährigen Bestehens unserer Vereinigung hatte das wohlbekannte Auktionshaus Klittich-Pfankuch nach Braunschweig eingeladen, mit einer kleinen Feier sowie einem auf die Schachinteressen der Teilnehmer zugeschnittenen Rahmenprogramm sollte am 7. November dieses Ereignis gebührend begangen werden. Um es vorwegzunehmen, unseren Gastgebern ist die Umsetzung ihrer Absichten vortrefflich gelungen, eine schönere Einstimmung auf die nachfolgenden Veranstaltungen in Dresden und Breslau hätte man sich nicht wünschen können.

Bereits ab 11 Uhr vormittags bot sich die Gelegenheit, im Auktionssaal am Theaterwall 17 die Bücher und Memorabilia in Augenschein zu nehmen, die am 29. November zur Versteigerung gelangen sollen (siehe unsere diesbezügliche Ankündigung), diese Möglichkeit wurde von zahlreichen Mitgliedern eifrig genutzt. Den eigentlichen Auftakt zu unserer Veranstaltung bildete dann der Besuch des Braunschweiger Landesmuseums, wo uns gegen 15.30 Uhr die Ausstellung "Curiose Welfen, welfische Curiositäten" erwartete ...

Ein KWA-Quartett wartet vor dem Museum auf den "Startschuss": (von links) Gunnar Finnlaugsson, Tony Gillam, Andreas Saremba, Bob van de Velde
Ein KWA-Quartett wartet vor dem Museum auf den "Startschuss": (von links) Gunnar Finnlaugsson, Tony Gillam, Andreas Saremba, Bob van de Velde

Die Führung durch die Ausstellung konzentrierte sich auf die Schachschätze, die aus der Wolfenbütteler "Bibliotheca Augusta" überführt worden waren, im Mittelpunkt stand natürlich das erste Schachlehrbuch in deutscher Sprache, das berühmte Schach- oder König-Spiel von Gustavus Selenus, erschienen im Jahre 1616 in Leipzig.

Im Bild rechts das Titelblatt des Buches im Großformat, davor ein Original-SELENUS als Exponat.

Unser großzügiger Gastgeber Roger Klittich (links) mit Herrn Dr. Heitzmann von der Herzog-August-Bibliothek, der die Führung besorgte und interessante Hintergrundinformationen über den SELENUS lieferte.
Unser großzügiger Gastgeber Roger Klittich (links) mit Herrn Dr. Heitzmann von der Herzog-August-Bibliothek, der die Führung besorgte und interessante Hintergrundinformationen über den SELENUS lieferte.

Es ist bekannt, dass sich hinter dem Pseudonym Gustavus Selenus Herzog August d. J. von Braunschweig-Lüneburg verbarg. Weniger bekannt ist, wie das Pseudonym zu erklären ist: so ist Gustavus praktisch ein Anagramm von Augustus und Selenus ist abzuleiten von griech. selēnē = Mond, lat. "luna", was wiederum auf Lunaeburgum = Lüneburg verweisen soll.

Selenus hat sich nicht nur mit Schach, sondern auch intensiv mit Geheimschriften befasst, so dass es nicht wundert, wenn er seine Identität als Autor durch ein Kryptonym zu verschleiern suchte.

Interessanterweise enthält der Titelkupferstich des "Selenus" eine Reihe allegorischer Darstellungen mit Motiven aus der altgriechischen Mythologie, als "Stichworte" seien nur Palamedes, Odysseus und der Trojanische Krieg erwähnt. Im unteren Teil des Titelblatts tritt der Herzog als Kolumbus auf, der in eine Diskussion mit spanischen Edelleuten verstrickt ist, sogar das "Ei des Kolumbus" feiert fröhliche Urständ. Eine ausführliche Darstellung können wir an dieser Stelle nicht geben, aber der Wissensdurstige erfährt wesentlich mehr auf dieser Webseite der Lippischen Landesbibliothek Detmold: 'Schach dem Herzog!'

Herzog August hatte bei der Abfassung seines Werkes wesentlich auf die damals vorhandene Schachliteratur zurückgegriffen und diese auch erworben, hierzu gehörte vornehmlich das oben abgebildete Buch des Domenico Tarsia, das nichts anderes darstellt als die italienische Übersetzung des berühmten Werkes von Ruy López de Segura aus dem Jahre 1561, Libro de la invención liberal y arte del juego del Axedrez.

Am frühen Abend konnte unsere Jubiläumsfeier programmgemäß im Auktionssaal eröffnet werden, denn auch unser (zu diesem Zeitpunkt noch) deutscher Länder-Repräsentant Michael Negele war rechtzeitig aus Wuppertal eingetroffen.

Nach den obligatorischen kurzen Grußworten ging es ohne Umschweife weiter, der erste von zwei "launigen" Vorträgen des Abends wurde in mitreißender Weise von Michael Negele präsentiert ...

Ausgangspunkt seines Vortrags war die schöne Festschrift "100 Jahre Braunschweiger Schachclub" (oben im Bild); weitere Ausführungen zur "Braunschweiger Schachmetropole", zum XIII. Westdeutschen Kongress 1880 in Braunschweig mit einer Schachausstellung (zu dieser Zeit eine Neuerung!) und zur Entstehung / Entwicklung der Braunschweiger Vereins-Schachbibliothek schlossen sich an. Der durch vereinzelte Rätselfragen an das Publikum aufgelockerte und durch zahlreiche erheiternde Zitate aus der Deutschen Schachzeitung 1880 gewürzte Vortrag fand gebührenden Beifall - hier noch die Präsentationsfolien, zusammengefasst in einer pdf-Datei (1,9 MB).

Zur weiteren Lektüre ein Artikel Die Bibliothek des Braunschweiger Schachclubs (pdf-Datei, 6 MB).

Der zweite "kongeniale" Festvortrag unseres englischen Freundes Tony Gillam (Bild oben) erwies sich als eine "nicht abgestimmte" - also rein zufällig zustande gekommene - Fortsetzung des ersten Vortrags! - denn Tony referierte über seine umfänglichen Bemühungen, die Partien zum Braunschweiger Schachkongress von 1880 ausfindig zu machen. Seine unnachahmliche Schilderung der Erlebnisse in Braunschweiger Archiven und Bibliotheken, in denen unser "Jäger und Sammler" der erbarmungslosen "deutschen Bürokratie" ausgesetzt war, welche ihn immer wieder ergebnislos hin- und her pendeln ließ, sorgte erneut für gehobene Stimmung. Als Fazit konnte er schließlich verkünden, dass er möglicherweise eine Person gefunden hat, die ihm die gesuchten Partien liefern kann - allerdings ist diese Aussicht mit einem großen "Maybe" verknüpft. Wir hoffen, dass Tonys Suche inzwischen von Erfolg gekrönt wurde.

Mit der sich nun anschließenden Konsultationspartie von John Donaldson gegen die "KWA-Meister" strebte der Abend einem weiteren Höhepunkt entgegen: Es ist schon bemerkenswert, welche freudige Begeisterung und Hingabe unsere Mitglieder jenseits allen sammlerischen Eifers am Brett entwickeln können.

John Donaldson vor dem Beginn der Partie, die Augen wohl zur Göttin Caissa gerichtet. Frau Klittich-Pfankuch kümmert sich einmal mehr vorbildlich um das leibliche Wohl ihrer Gäste.
John Donaldson vor dem Beginn der Partie, die Augen wohl zur Göttin Caissa gerichtet. Frau Klittich-Pfankuch kümmert sich einmal mehr vorbildlich um das leibliche Wohl ihrer Gäste.

Kurz zu den Modalitäten: die Kontrahenten spielten in separaten Räumen, als Übermittler der Züge fungierte Michael Negele. John Donaldson führte die weißen Steine. Der Zeitrahmen war 75 Minuten für jede Seite, wobei nur die eigene Uhr maßgebend war, um die Übermittlungszeit auszugleichen. Die KWA-Gruppe bestand aus einer starken nordisch-holländischen Kombination (Per Skjoldager, Gunnar Finnlaugsson, Claes Løfgren, Jes Knudsen, Poul Bang Nielsen und Jurgen Stigter), in die sich allerdings mit zunehmender Spieldauer auch weitere Mitglieder lautstark einschalteten. Natürlich war es verboten, Schachliteratur oder gar Computerprogramme zu Rate zu ziehen, und es galt die alte Regel "Berührt, geführt!".

Poul Bang Nielsen (rechts) und Gunnar Finnlaugson, der die Züge notiert - noch befindet sich die Partie im frühen Eröffnungsstadium.
Poul Bang Nielsen (rechts) und Gunnar Finnlaugson, der die Züge notiert - noch befindet sich die Partie im frühen Eröffnungsstadium.

Nachdem die KWA-Gruppe dem weißen Maróczy-Aufbau mit einer selteneren Variante (6... Db6) begegnet war, geriet sie - wohl auch nach einzelnen suboptimalen Zügen (wie 11... Le6?!) - positionell in Nachteil und "opferte aus Verzweiflung" im 26. Zug einen Bauern am Damenflügel. Zudem zeichnete sich mit zunehmender Spieldauer allmählich aufkeimende Zeitnot ab. Dank der findigen "aktiven Verteidigung" und einer kleinen Unaufmerksamkeit des "jetlag-geschwächten" John (29. Dd2?!; besser sofort 29. Ld2) konnte Weiß die für ihn gewinnträchtige Stellung aber nicht in einen Sieg umsetzen ...

Kurz vor dem Ende der Partie - John bedenkt seinen 38. Zug.
Kurz vor dem Ende der Partie - John bedenkt seinen 38. Zug.

... denn die "schwarze" KWA-Gruppe hatte ein Rettungsmanöver erspäht, das ihr unter Springeropfer ein Dauerschach ermöglicht. John nahm den angebotenen Springer und offerierte zugleich ein Remis, das natürlich unter großem Jubel angenommen wurde - das Unentschieden wurde wie ein Sieg gefeiert!

Weitere 8 Fotos sind in dieser Bilder-Galerie zu finden, die gesamte Partie können Sie online hier nachspielen:

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B3807.11.2008

Zum Schluss verteilte Karl Klittich das Überraschungsgeschenk, jedes KWA-Mitglied erhielt einen Karton mit drei Flaschen eines edlen Tropfens - gleichzeitig eine "Schach-Memorabilie" (in limitierter Auflage), denn die Flaschen tragen eigens zu diesem Anlass hergestellte Etiketten mit dem KWA-Vereins-Logo. Jedenfalls eine großartige Idee des Hauses Klittich-Pfankuch - manches Mitglied mag bedauern, an diesem Tag nicht nach Braunschweig gekommen zu sein!

Das KWA-Jubiläums-Etikett auf der Weinflasche.


Die Herstellung der Etiketten war keineswegs eine einfache Angelegenheit, denn für deren Druck musste vorab eine Lizenz erworben werden!

Unseren generösen Gastgebern schulden wir ein großes "Dankeschön" für diese wundervolle Feier, die allen Beteiligten sicherlich lange im Gedächtnis bleiben wird!

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