75 Jahre Uedemer Schachklub 1948 – 2023

– Ein Verein packt aus –

75 Jahre Uedemer Schachklub - Titelblatt
75 Jahre Uedemer Schachklub - Titelblatt

von Siegfried Schönle

Sicherlich kommen manchem Leser bei diesem Titel sofort Fragen in den Sinn:

Uedem? Wo liegt das? Kenne ich nicht (in Kürze und mit Würze findet der Leser eine Antwort auf den S. 36-39 – von 251 Seiten – ohne Reklame)!

Kurz: In der Nähe zur holländischen Grenze, am Niederrhein, im Kreis Kleve und zählt ca. 8.600 Einwohner.

Ein Verein packt aus? Was ist der Inhalt des „Pakets“ und wie könnte es verpackt sein?

Ein Paket wird in aller Regel nach dem Erhalt betrachtet, und die Art der Verpackung lässt erste und durchaus vage Rückschlüsse auf den Inhalt zu. Dieses „Paket“ ist nun außergewöhnlich sorgfältig verpackt:

  • Format 215 x 300 mm;
  • 251 S.;
  • fester Pappeinband;
  • farbiger Druck, zahlreiche gut zu lesende Faksimiles, Fotos, Tabellen auf guter Papierqualität;
  • 25,- €, Auflage 200 Stk.

All das wird geboten in einem professionellen Layout und in hoher Druckqualität! Die Redaktion hatten die Vereinsmitglieder Heinz Aldenhoven, Hans-Josef Arts und Michael Venhoff.

Zu bestellen: https://uedemer-schachklub.de/kontakt-2/ und/oder

8.600 Einwohner – aus großstädtischer Sicht könnte sehr schnell das abwertende Wort „Kuhdorf“ fallen, aber der so urteilende Städter oder Schachfreund bekäme sofort einen hochroten Kopf, falls er sich dem Inhalt dieser Festschrift widmet.

Festschrift? Nein! Dies ist ein Fest-Buch und darüber hinaus ein sehr stattliches und ansehnliches.

Ja, der Uedemer Schachklub 1948 e.V. packt aus und heraus kommt Erstaunliches.

Welcher Schachverein, sei er groß, sei er klein, kann berichten, dass 30 Reisen in ca. 50 Länder für seine Vereinsmitglieder durchgeführt wurden? Zu erwähnen sind u.a. Dubai und die Schach - WM 2021, S. 236-237, München 1972, S. 76-79 / Indien S. 180ff / Brasilien, Jordanien, Ägypten und zahlreiche andere Orte auf der Welt besuchte der Verein, siehe S. 104-105, dort mit farbigen Karten.

Auch die lange, tabellarisch gebotene Aufzählung der Simultanveranstaltungen bewirkt Bewunderung. Allein 23 Simultanspiele zur Saison-Eröffnung (zwischen 1998 bis 2005, S. 115) zählt der Rezensent, weitere werden aufgeführt: Baldur Hönlinger in 1955, mehrfach Robert Hübner (1978, 1998, 2012, 2014) und Vlastimil Hort in 2001, Barbara Hund, Elisabeth und Thomas Pähtz, Artur Jussupow, Christopher Lutz, Alexander Khalifman, Arkadij Naiditsch, Klaus Bischoff, Leonid Kritz und Peter Leko. Sie alle fanden den Weg nach Uedem, folgten der Einladung dieses sehr aktiven Vereins!

Lesenswert ist die Schilderung der Gründerzeit 1948 von Heinz Aldenhoven, S. 8-17. Diese wird in den größeren historischen Kontext der Nachkriegsjahre eingegliedert von Helmut Cox, S. 20-27. Schwierigkeiten des Wiederaufbaus, Bewältigung der Kriegsfolgen, der Winter 1946/47, Verkehrsprobleme und Manches mehr erfährt der Leser. Auch die Vorteile der ländlichen Region werden abwägend betrachtet.

Eine schöne Idee, die sich durch den gesamten Band hindurchzieht, ist die Reihe „Einer von uns: ...“ In dieser werden auf je zwei Seiten in Wort und Bild Vereinsmitglieder vorgestellt.

75 Jahre Uedemer Schachklub - S. 240-241
75 Jahre Uedemer Schachklub - S. 240-241

Gleiches lässt sich zu der Reihe „Highlights der Jahre ...“ sagen, die, beginnend mit dem Gründungsjahr 1948 und endend mit 2022, S. 218f, chronologisch und knapp die Ereignisse in die Erinnerung ruft. Kaum noch verständlich heute, aber für das Jahr 1959 sehr wichtig, ist so z.B. die Mitteilung „Schachklub mietet eine Schreibmaschine, Kosten: 15 DM monatlich.“ Angedeutet werden hier Probleme der Pressearbeit und die finanziellen Sorgen, die zahlreiche Schachvereine plagen.

75 Jahre Uedemer Schachklub - S. 56-57
75 Jahre Uedemer Schachklub - S. 56-57
Bernd Besser
Bernd Besser

Auch der lediglich blätternde Betrachter des Fest-Buches wird die ganzseitig, farbig abgebildeten 10 Kunstwerke des Grafikdesigners Bernd Besser aus Lohfelden bei Kassel, S. 250-251, nicht übersehen, sondern die schachlichen Motive betrachten und genießen können.

Schach zu spielen macht offensichtlich auch durstig. Zu entnehmen ist dies der Erzählung zu den Vereinslokalen, den Kneipen und Hinterzimmern, S. 30-39 auch S. 174-177. Von besonderer Bedeutung in der Reihe der Vereinslokale ist das „Haus Franken“, S. 31. Dessen Thekenbereich, nicht die Schachbretter, Vereinsmitglieder gerne erinnern und im Original aufgebaut im - Niederrheinischen Museum Kevelaer - zu besichtigen ist.

Noch lange ist das „Paket“ nicht geleert und die Fülle lässt sich hier eigentlich nur in der folgenden Aufzählung andeuten:

  • zum jahrelangen Vorsitzenden Karl Hoffmann
  • die große Bedeutung des Schulschachs und der Ausrichtung der Kreismeisterschaften, S. 150-155
  • den reich bebilderten „Suppenturnieren“, S. 128-135
  • den Doppelkopfturnieren mit Ergebnistabellen, S. 120-125
  • einer kleinen PC-Geschichte im Zusammenhang mit der des Vereins, S. 96-101
  • persönlichen Erinnerungen, z.B. S. 68f, S. 212f
  • den Internationalen Turnieren, S. 48-57

Hier soll die Aufzählung kurz unterbrochen werden, um darauf aufmerksam zu machen, dass sich auf der S. 55 drei Notationen des damals 14jährigen Robert Hübners befinden, also sich gut nachspielen lassen, die er im 5. Internationalen Niederrhein Schachturnier 1963 gegen Nowak, Bachmann und Achenbach spielte. Mit Schmunzeln liest man die freundlich geschriebene, an den Veranstalter gerichtete Karte, S. 54 mit Foto, des Jungen, der darauf hinweist, nicht für sich (!), dass die Zuschauer „allzu dicht“ um die Bretter herumstanden.

  • zum Mädchen- und Frauenschach, S. 214-215
  • eine Liste der Vorstände und Funktionäre des Vereins, S. 220-227
  • natürlich darf in einer solchen Schrift auch nicht die lange Folge der Vereinsmeister fehlen, S. 240ff

Eine Aufzählung anderer Art, die ebenfalls die Aktivitäten und das rege Vereinsleben widerspiegeln, eine Art „name dropping“, liest sich so: Baldur Hönlinger, Robert Hübner, Vlastimil Hort, Mark Taimanow, Victor Soultaubeieff, Gennadi Sosonko, Jan Hein Donner, Hans Ree, Péter Leko, Elisabeth Pähtz, Jan Timman, Emond Barthélemy.

Zwei Berühmtheiten des Deutschen Schachlebens zeigen seit Jahren eine besondere Nähe und Sympathie zum Uedemer Schachklub 1948 e.V.: GM Dr. Robert Hübner und GM Vlastimil Hort.

Schon als 14jähriger nahm Robert Hübner 1963 an einem Turnier in Uedem teil, spielte mehrfach Simultan dort, siehe oben, zeigt seine Wertschätzung in persönlich gehaltenen Dankensworten, S. 58-59. Geschildert werden diese Begegnungen mit GM Robert Hübner von dem Vereinsmitglied Herbert Cloosters, S. 210-213.

Auch GM Vlastimil Hort mag offensichtlich diesen Verein, spielte einen Mannschafts-Simultankampf, plauderte und erzählte Anekdoten und unterhielt die Vereinsmitglieder mit „Nüssen“, sprich Problemen, S. 198-203. Seine freundlichen Worte, zusammen mit einer Problemstellung, sind auf den S. 202-203 nachzulesen.

Der Leser dieser Rezension wird von meinem Fazit nicht überrascht sein: Ein bewundernswertes Fest-Buch von hoher Qualität, einer Fülle unterschiedlichster schachlicher Inhalte bietend, ist dem Verein gelungen. Hierzu will ich gerne herzlich gratulieren!

Siegfried Schönle (Kassel)

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